Eisbaden: Darum gehen Menschen ins eiskalte Wasser

Das Baden in Gewässern während der kalten Jahreszeit bringt psychische und gesundheitliche Vorteile mit sich. Darauf schwören viele Eisschwimmer. Dennoch stellt die Kälte für den Körper eine Ausnahmesituation dar.

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Ganz so neu ist der Trend nicht, sich bei Temperaturen um null Grad in eisiges Wasser zu stürzen. Bereits große historische Persönlichkeiten wie Karl der Große oder Johann Wolfgang von Goethe schätzten diese Freizeitaktivität, die viel Selbstdisziplin und einen hohen Grad an Überwindung kostet.

Vielerorts gehört das Anbaden zur Tradition, um am Neujahrstag die Badesaison zu eröffnen. Für die Badenden ist es quasi Ehrensache, sich auch von frostigen Temperaturen nicht beeindrucken zu lassen.

Nicht nur in Deutschland existiert vielerorts zudem die Tradition des gemeinsam begangenen Neujahrsschwimmens. Besonders beliebt ist Eisbaden in Nordeuropa. Dort handelt es sich häufig tatsächlich um das Baden in eiskaltem, an der Oberfläche zugefrorenem Wasser. Hierzulande liegen die Temperaturen während der Eisbadesaison häufig deutlich über dem Gefrierpunkt. Der präzisere Begriff lautet daher eigentlich Winterbaden.

Nicht nur ein radikales Hobby

Doch warum begibt man sich freiwillig in kaltes oder gar eiskaltes Wasser? Für viele ist der Kälteschock ein „Kick“ und eine Möglichkeit, körperliche Grenzen auszutesten. Das Leben und seine Reize voll anzunehmen ist eine Philosophie hinter dem Eisbaden. Aber es handelt sich nicht nur um ein Hobby für Menschen mit Hang zum Radikalen oder Esoteriker, die eins mit der Natur sein wollen. Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist die Überwindung des „inneren Schweinehundes“. Wer sich dazu entscheidet, und es auch durchzieht, der kann von sich sagen, dass er einen starken Willen hat. Mit dem Gefühl, die eigene Angst vor dem Verlassen der Komfortzone überwunden zu haben, startet man zuversichtlich in den Tag. Andere Herausforderungen des Alltages erscheinen so kleiner.

Risiko Kälteschock

Tatsächlich sollte man den Kälteschock nicht unterschätzen, der insbesondere von Schiffsunglücken oder Stürzen ins kalte Wasser bekannt ist. Das plötzliche Zusammenziehen der Blutgefäße kann zu einer reflexartig einsetzenden Schnellatmung führen – bis hin zur Hyperventilation. Genau das ist bei Schiffsunglücken in kaltem Wasser die häufigste Todesursache: Die Opfer haben keine Chance mehr, kontrolliert zu atmen. Sie schlucken Wasser, das in die Lungenflügel gelangt, und drohen so innerhalb kürzester Zeit zu ertrinken.

Daher gilt: Egal ob man sich zum Vergnügen ins eisige Wasser begibt, oder um jemandem zu helfen. Man sollte sich immer sehr behutsam ins kalte Wasser begeben und niemals einfach hineinspringen.

Vitalität sprudelt aus jeder Körperzelle

Eisbadende vertrauen zudem auf die positiven Auswirkungen auf das Immunsystem und die Psyche. Die Aktivität fördert die Durchblutung. Der Körper schüttet dabei Adrenalin, Endorphine und Kortisol aus. Im Anschluss fühlen sich Winterbadende besonders vital, zufrieden und tiefenentspannt. Manche erleben sogar ein euphorisches Glücksgefühl. Das Ganze kann ein echter Booster für den Alltag sein. Das Immunsystem wird gestärkt, weil Schleimhäute sehr gut durchblutet werden und daher weniger anfällig für das Eindringen von Krankheitserregern sind. Das ausgeschüttete Kortisol wirkt zudem entzündungshemmend. Eisbaden härtet ab und macht weniger kälteempfindlich.

Finnische Forscher haben belegt, dass regelmäßiges Winterschwimmen das Wohlbefinden steigert. Konkret stellten sie fest, dass sich bei Winterschwimmern die Werte von Anspannung, Müdigkeit und Stimmung während vier Monaten signifikant verbesserten. Ebenso gingen Beschwerden bei Erkrankten von Rheuma, Asthma oder der chronischen Schmerzerkrankung Fibromyalgie durch das regelmäßige Baden in eiskaltem Wasser zurück.

Befürworter des Eisbadens sind sich jedenfalls sicher:

Das kalte Bad stärkt den Kreislauf, die Ausdauer, das Immunsystem und macht gute Laune. Man fühlt sich so lebendig wie selten zuvor. Die Erklärung hierfür: Der extreme Temperaturreiz führt zu einer kräftigen Adrenalin-Ausschüttung in den Blutkreislauf – ähnlich wie bei einem Fallschirmsprung. Das ist auch notwendig. Denn angesichts der eisigen Temperaturen muss der Körper all seine Kräfte mobilisieren. Dafür ist das Stresshormon Adrenalin zuständig.

Körperliche Extremsituation

Beim Eisbaden ziehen sich die äußeren Blutgefäße zusammen. Der Körper verhindert so ein schnelles Auskühlen. Dies stellt zweifellos ein Training für den Kreislauf dar, vergleichbar mit dem Wassertreten bei einer Kneippkur oder Wechselduschen. Allerdings ist der Effekt beim Baden im kalten Wasser weitaus extremer, so dass unter Umständen nicht nur die äußersten Blutgefäße entsprechend reagieren. 

Der Kälteschock ist dennoch nicht für jeden zu empfehlen. Bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen stellt er selbstredend ein großes Risiko mit potenziell gefährlichen Folgen dar. Schlimmstenfalls drohen Herzrhythmusstörungen, ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Generell ist es auch für Menschen ohne Vorerkrankungen sinnvoll, vor dem erstmaligen Kältebad den Hausarzt aufzusuchen, um Risiken abzuklären. Im Zweifel gilt es, auf Nummer sicher zu gehen und sich bei Alarmsignalen wie Panik oder Hyperventilation sofort aus dem Wasser zu begeben. Keiner sollte den Gang ins kalte Wasser auf die leichte Schulter nehmen. Es handelt sich für den Körper um eine Extremsituation.

Daher bietet es sich für Ungeübte an, den Körper langsam an die niedrigen Wassertemperaturen zu gewöhnen, indem man schon im Frühherbst bei moderater Kälte beginnt und sich dann mit den sinkenden Temperaturen langsam steigert. Zur Sicherheit sollte immer mindestens eine weitere Person dabei sein. Anfangs sollte man sich in flach abfallendes Wasser begeben und dabei stehen oder sitzen. Schwimmen entzieht dem Körper noch schneller die Wärme und gerade in eisigem Wasser läuft man Gefahr, dass koordinierte Schwimmbewegungen nicht möglich sind. Die Hände sollten in die Luft gehalten werden, weil sie sonst schnell unterkühlen. Generell haben wenige Sekunden bereits einen großen Effekt auf den Körper. Diese lassen sich mit wachsender Erfahrung auf wenige Minuten steigern. Doch Achtung: Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt herum sollten nur sehr erfahrene Eisbadende länger als einige Sekunden im Wasser bleiben, da der Körper sehr schnell unterkühlt.

Atmen nicht vergessen

Während man den Gang in die Kälte beschreitet, ist auf eine ruhige und tiefe Atmung zu achten, damit man nicht in Schnappatmung verfällt. Bestimmte Atem- und Meditationstechniken vor dem Baden können die positiven Effekte auf das Wohlbefinden noch steigern und den Körper besser auf die niedrigen Temperaturen vorbereiten. Ein populärer Ansatz ist die Methode des Holländers Wim Hof, der unter Eisschwimmern als eine Art Guru gilt. Dabei atmet man dreißig- bis vierzigmal hintereinander tief ein und aus. Anschließend wird die Luft eine Minute lang angehalten. Das Ganze wird mehrere Runden lang wiederholt. Unmittelbar danach geht man ins Wasser. Für die gesundheitliche Förderlichkeit populärer Ansätze wie der „Wim-Hof-Methode“ gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Beweise.

Beim Baden im kalten Wasser selbst gilt:

  • Gehen Sie langsam ins Wasser. Sonst riskieren Sie einen Kälteschock (s.o.)!
  • Anbaden und Eisbaden müssen immer unter Aufsicht geschehen. Gehen Sie niemals alleine ins Wasser.
  • Halten Sie den Kopf über der Wasseroberfläche – nicht nur wegen eines möglichen erhöhten Temperaturverlusts, sondern vor allem, um sicher atmen zu können.
  • Bleiben Sie nur für kurze Zeit im Wasser: Maximal wenige Minuten sind erlaubt.
  • Auch wenn Sie nach dem kalten Bad aufgeputscht sind und sich großartig fühlen: Ziehen Sie sich sofort etwas Warmes an.

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