Das Hormon Oxytocin, auch bekannt als „Bindungshormon“, hat vielfältige Funktionen im menschlichen Körper und spielt eine bedeutende Rolle in zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie wirkt sich das Hormon im Körper aus und welche Bedeutung hat es für die Liebe?
Qualitätssicherung:Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss
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Hormone sind biochemische Botenstoffe, von speziellen Zellen produziert, die als körpereigene Wirkstoffe abgegeben werden. Oxytocin, ein Neuropeptid, ist ein solches Hormon. Gebildet wird es im Kerngebiet im Hypothalamus (Zwischenhirn) und gelangt über die hintere Hypophyse (Hirnanhangdrüse) in den Blutkreislauf.
Von Anfang an dabei
Der Begriff Oxytocin hat seinen Ursprung im Altgriechischen okys (schnell) und tokos (Geburt), was zur Bezeichnung okytokos (schnell gebärend) führt. Damit ist auch schon die erste Funktion des Hormons identifiziert. Oxytocin spielt nämlich eine spezielle Rolle bei der Geburt, denn Oxytocin sorgt im Gewebe des Uterus für Kontraktionen der Gebärmutter. So wird das Hormon zum Beispiel häufig zur Einleitung der Wehen eingesetzt, um die Geburt in Gang zu bringen. Oxytocin wird in diesem Fall verdünnt und vorsichtig als Infusion gegeben. „Auch nach einer Geburt kann Oxytocin verabreicht werden, damit sich die Gebärmutter zusammenzieht. Auf diese Weise kann sich der Mutterkuchen schneller lösen und starke Nachblutungen vermieden werden“, sagt Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss, Oberärztin für Gynäkologische Endokrinologie in München.
Die Mutter-Kind-Bindung
Doch auch nach der Geburt fällt dem Hormon eine weitere wichtige Aufgabe zu. Sobald das Neugeborene an der Brust der Mutter saugt, wird der sogenannte Milchejektionsreflex ausgelöst. Das bedeutet, dass im Gehirn der Mutter Oxytocin ausgeschüttet wird. „Das Hormon stimuliert kleinste Muskelzellen um die Drüsenläppchen, die sich zusammenziehen und so den Milchfluss in Gang bringen. Auf die Mutter wirkt das Hormon in dieser Situation beruhigend, und es trägt zur Rückbildung der Gebärmutter bei“, erklärt Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss. Neben den vielen Nährstoffen, die über die Muttermilch transportiert werden, nimmt das Baby ebenfalls kleinste Mengen Oxytocin auf, die aber im Magen schnell inaktiviert werden. Oxytocin nimmt eine Rolle bei der Verstärkung des emotionalen Bindungsverhaltens zwischen Mutter und Kind ein. Diese wird das Hormon zweifelsohne fördern, jedoch ist das Stillen nicht der alleinige Faktor dafür. Oxytocin hat eine extrem kurze Halbwertszeit; und schon nach 4 bis 10 Minuten ist nur noch die Hälfte im Blut. Sollte eine Mutter also nicht in der Lage sein, das eigene Baby zu stillen, bedeutet das nicht, dass keine enge Verbindung aufgebaut werden kann.
Angst- und stresslösend
Generell wird Oxytocin bei Berührungen, zum Beispiel bei einer Umarmung, und bei positiven sozialen Kontakten im menschlichen Gehirn ausgeschüttet. Hierbei hat das Hormon in erster Linie eine beruhigende und angstlösende Funktion. Außerdem senkt es den Blutdruck, die Herzschlagrate sowie die Konzentration von Stresshormonen wie Cortisol. Bei Autisten, die Schwierigkeiten mit dem Lesen von Gesichtsausdrücken haben, soll es das Sozialverhalten verbessern können. Wird ihnen Oxytocin als Substanz mit einem Nasenspray verabreicht, können sie, solange die Substanz wirkt, länger Augenkontakt halten als üblich. Dadurch verbessert sich das Einfühlungsvermögen. Aufgrund dessen wird Oxytocin mittlerweile im Zusammenhang mit vielen psychischen Störungen erforscht, wie zum Beispiel bei Suchterkrankungen, Persönlichkeits- und Angststörungen.
Das bindende Element
Doch wie sieht es in einer Beziehung aus? Kommen sowohl Mann als auch Frau beim Sex zum Höhepunkt, schießen die Oxytocin-Werte regelrecht in die Höhe. Nach der Ausschüttung des Hormons ziehen sich beim Mann die Samenstränge und die Peniswurzel rhythmisch zusammen, wodurch das Sperma nach außen drängt. Bei der Frau geht der Orgasmus mit Zuckungen in der Gebärmutter und Vagina einher. Doch auch ohne Höhepunkt geht der Akt des Geschlechtsverkehrs oder anderer liebevoller Körperkontakt mit der Ausschüttung des Hormons einher – nur in einem geringeren Maße. Es sorgt darüber hinaus für die Erzeugung des Gefühls von Nähe sowie Vertrautheit und es hält das Bedürfnis nach Körperkontakt aufrecht. Findet dieser statt, wird das Belohnungszentrum des Menschen aktiviert. Diese Faktoren verstärken die Bindung zueinander und tragen dazu bei, dass Paare zusammenbleiben.
Kein Medikament zur Rettung von Beziehungen
In den Medien ist aufgrund dessen häufig vom „Kuschel- oder Bindungshormon“ die Rede. Tatsächlich hat das Hormon hierbei eine Funktion inne, jedoch spielt es in einer romantischen Beziehung nicht die Hauptrolle. Sollte sich eine Beziehung verschlechtern und kurz vor der Trennung stehen, würde die künstliche Verwendung von Oxytocin als Nasenspray nicht dafür sorgen, die Beziehung zu retten. „Es ist nämlich kein Medikament für Bindungen und sollte auch nicht so verstanden werden“, betont Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss. Das menschliche Verhalten und zwischenmenschliche Beziehungen werden von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt und sind viel komplexer, als dass sie auf ein Hormon reduziert werden könnten. Auch wenn Oxytocin kein Allheilmittel für Beziehungen darstellt, ist das Potenzial als Hilfsmittel bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen vorhanden.
Zur Person
Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss ist leitende Oberärztin der Gynäkologischen Endokrinologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München und ist Beirats-Mitglied der Sektion Reproduktionsbiologie und -medizin der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).