Zur Person
Diplom-Psychologin Christine Backhaus leitet seit über 20 Jahren das Institut PSYCONOMY. Sie berät mit ihrem Team Einzelpersonen und Paare zu Karriere und Liebesglück.
Die Liebe ist unerklärlich? Manche Fragen lassen sich bei genauerem Hinblicken vielleicht doch entschlüsseln – auch das hartnäckige Gerücht, dass man sich im Sommer leichter verliebt.
Die warmen Temperaturen, die Sonne, die frische Luft – wenn wir im Grünen spazieren und am Wasser entspannen, fühlen wir uns körperlich und geistig erholt. Beim Genießen der schönen Jahresjahrzeit kommt es dann auch leichter vor, dass man sich verliebt – zumindest hält sich diese These quer durch alle Bevölkerungsschichten. Ist da etwas dran?
Es lohnt sich, erst einmal zu verstehen, was mit Liebe überhaupt gemeint ist. Diplom-Psychologin Christine Backhaus beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit dem Thema und berät Menschen in Beziehungsfragen. Sie stellt klar: „Grundlegend muss man verstehen, dass Liebesgefühle durch biochemische Prozesse im Gehirn entstehen. Aber es gibt natürlich auch eine Definition aus Perspektive der Sozialpsychologie. Sie besagt: Liebe ist eine Einstellung mit verschiedenen Komponenten. Dazu gehört das Affektive (Zuneigung, Zärtlichkeit, Leidenschaft, Freude), das Kognitive (Aufwertung und Idealisierung in Bezug auf die geliebte Person) und das Verhalten, etwa das Annähern an oder das Umarmen einer Person.“
Die Liebe lässt sich meist mit der menschlichen Evolution erklären. Neben dem Zweck der Fortpflanzung sind Liebe, Zuneigung und Geborgenheit auch wichtig, um ein soziales Gefüge aufrecht zu erhalten, eine langfristige Beziehung zu pflegen und auch dem Nachwuchs Sicherheit zu bieten. Chemisch entsteht romantische Liebe durch die spezielle Konzentration von Neurotransmittern wie etwa Dopamin. Sie verursacht – ähnlich einer Droge – das Verlangen nach einer Person. „Das ist auch der Grund für die sprichwörtliche Gefühlsachterbahn. Und diese wird ergänzt durch Gefühle wie Lust und Begehren, ausgelöst durch das Hormon Testosteron“, so Christine Backhaus. „Das gilt übrigens für Männer wie für Frauen.“
Hochstimmung, beinahe "Besessenheit", die Konzentration auf die "eine" besondere Person: „Durch Verliebtheit ersparten sich unsere Vorfahren kostbare Paarungszeit und -energie. Die Bindung ermöglichte, dass sich beide Partner so lange zugetan blieben, bis der Nachwuchs aus dem Gröbsten heraus war“, erklärt die Expertin.
Ist die heiße Jahreszeit nun also ein „Booster“ für romantische Gefühle? In der Tat ist der Testosteronspiegel, der Lust und Begehren beeinflusst, abhängig von der Tages-, Wochen- und Jahreszeit – und auch vom Lebensalter. Zudem bewirken Licht und Wärme in den Menschen, dass sie aktiver werden und positivere Gefühle hegen.
Psychologin Backhaus nennt weitere Aspekte: „Im Sommer tragen die Leute weniger Stoff am Körper, es wird uns optisch mehr geboten. Das ist natürlich verführerisch, und diese Reize können uns auch damit konfrontieren, dass wir mit einer etwaigen aktuellen Beziehung mehr Unzufriedenheit verspüren. Und auch durch den Sport, den wir im Sommer regelmäßiger im Freien betreiben, fühlen wir uns besser. Das steigert das Selbstbewusstsein und damit die Flirt-Laune.“
Die blühende Natur und das warme Wetter können zudem positive, romantische Erinnerungen an unbeschwerte Jugendtage wecken: „Wir denken an schöne Dinge aus der Vergangenheit, die wir als Erwachsene gerade vermissen. Das kann dann jedoch statt Verliebtheit manchmal auch negative Gefühle auslösen“, so Christine Backhaus.
Es ist also was dran: Viele Faktoren begünstigen im Sommer Gefühle der Verliebtheit. Wir sollten uns aber vor all der nackten Haut und den verrücktspielenden Hormonen nicht fürchten, denn: Der Mensch hat auch einen Verstand – er muss ihn nur nutzen.
Diplom-Psychologin Christine Backhaus leitet seit über 20 Jahren das Institut PSYCONOMY. Sie berät mit ihrem Team Einzelpersonen und Paare zu Karriere und Liebesglück.