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Aleyd von Gartzen ist Bundesbeauftragte für Stillen und Ernährung des Deutschen Hebammenverbandes.
Rahmenbedingungen für das Stillen verbessern und dessen gesundheitlichen Vorteile unterstreichen: Diese Punkte stehen im Zentrum einer Initiative der Bundesregierung, die im Juli 2021 als Nationale Stillstrategie beschlossen wurde. Denn Muttermilch gilt als optimale Nahrung für Säuglinge. Derzeit stillen in Deutschland aber nur rund 20 % der Mütter ihr Kind ausschließlich über den Zeitraum von sechs Monaten.
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Muttermilch ist seit jeher die natürliche Form der Säuglingsnahrung. Sie enthält alle Stoffe, die das Kind benötigt. Eiweiß, Kohlenhydrate, Fett, Mineralstoffe, Vitamine und Wasser machen die Zusammensetzung aus. Wichtige Enzyme, Abwehrstoffe, Hormone, Antikörper und Millionen lebender Zellen ergänzen diesen wertvollen Mix. Der besondere Clou: Im Laufe der Wochen und Monate passt sich die Zusammensetzung der Muttermilch an die Bedürfnisse des Kindes an. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sollte ein Säugling das erste halbe Lebensjahr ausschließlich gestillt werden. „Diese Empfehlung gilt weltweit. Es handelt sich nicht nur um einen Rat für Drittländer, sondern es betrifft genauso die Industrieländer“, betont Aleyd von Gartzen, Beauftragte für Stillen und Ernährung des Deutschen Hebammenverbandes. Teil dieser Empfehlung ist auch, dass Kinder nach Einführung von Beikost bis zum Alter von zwei Jahren nach ihrem Bedarf weitergestillt werden sollten.
Stillen stärkt das Immunsystem des Kindes, denn dessen Mikrobiom im Darm entwickelt sich besonders gut. „Die Kinder erkranken weniger an akuten Infekten. Langfristig betrachtet treten Asthma, Diabetes oder Übergewicht seltener auf. Dies gilt auch für frühkindliche Krebserkrankungen“, erklärt Aleyd von Gartzen. Bei Neurodermitis und Heuschnupfen sei die Studienlage hingegen widersprüchlich. Sicher sei aber, dass die Gehirnentwicklung der Kleinen unter anderem durch das Cholesterin in der Muttermilch optimal unterstützt würde.
Je länger die Stillzeit dauert, umso größer ist der gesundheitliche Effekt. Dieser Grundsatz gilt für Kinder und Mütter gleichermaßen. „Es ist erwiesen, dass stillende Mütter seltener an Brustkrebs und Eierstockkrebs erkranken“, so Aleyd von Gartzen. Auf dieser „Haben-Seite“ stehen ebenfalls Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Diabetes Typ 2 oder das metabolische Syndrom. Die schnellere Gewichtsabnahme nach der Geburt durch den Stillvorgang sei eine Frage des Typs, so von Gartzen. Im Durchschnitt habe eine stillende Mutter einen höheren Kalorienbedarf von 500 bis 600 kcal.
Aleyd von Gartzen ist Bundesbeauftragte für Stillen und Ernährung des Deutschen Hebammenverbandes.
Damit der Prozess des Stillens nach der Geburt gut funktioniert, ist eine ruhige und stressfreie Atmosphäre wichtig. „Nur in Ausnahmefällen können Mütter wirklich nicht stillen. Oft hakt es an der passenden Unterstützung und der richtigen Anleitung“, berichtet Aleyd von Gartzen. Eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema, also schon während der Schwangerschaft, wäre sinnvoll. Dies könne durchaus ein Besuch in einer Stillgruppe zum Erfahrungsaustausch sein.
Grundsätzlich gilt, Beikost nicht vor dem Beginn des fünften Lebensmonats und spätestens bis zum Beginn des siebten Monats einzuführen. Das ist die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), auf die sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie die Nationale Stillkommission (NSK) beruft. Die NSK sagt aber auch, dass die Einführung der Beikost individuell an die Entwicklung des Kindes angepasst werden sollte. Dabei sollte das Stillen weiterhin fortgesetzt werden, da die Einführung von Beikost nicht mit dem Abstillen gleichzusetzen ist. Bei dieser Empfehlung stehen verschiedene gesundheitliche Vorteile für Mutter und Kind im Fokus.
Bei allen Vorteilen ist es jedoch am Ende die Entscheidung der Mutter, ob und wie lange sie stillt. Manchmal steht beispielsweise ein operativer Eingriff oder die Einnahme von Medikamenten einem (längeren) Stillen im Weg – manchmal hat das Kind frühzeitig ein großes Interesse an fester Nahrung. In solchen Fällen ist es wichtig, individuelle Wege zu finden, die sowohl den Bedürfnissen der Mutter als auch des Kindes gerecht werden.
Was ist beim Abstillen mit fester Nahrung wichtig? Beginnen Sie zunächst mit Lebensmitteln, die sich leicht zerkauen lassen und, wenn sie nicht zerkaut, sondern direkt geschluckt werden, trotzdem einigermaßen gut verdaulich sind. Dazu zählen Brot, Bananen und weiche Birnen.
Richtig harte Lebensmittel – darunter typische Rohkost wie Möhren oder Äpfel – sollten Sie erst ab einem Jahr geben. Denn zwar existieren dann die Mahlwerkzeuge der Backenzähne schon längere Zeit. Aber die Kinder müssen den Umgang damit erst erlernen. Würden sie ungeübt auf den harten Karotten herumkauen, wäre die Gefahr groß, dass sie zu grobe Stücke herunterschlucken, was die Verdauung belastet. Außerdem besteht gerade während dieser Phase noch erhöhte Verschluckungsgefahr (für den Fall der Fälle: Erste Hilfe beim Verschlucken von Fremdkörpern).
In der Regel ist es ganz einfach, von der Muttermilch auf feste Nahrung umzusteuern. Denn Kinder sind neugierig und wollen die Welt erkunden. Und gerade im ersten Lebensjahr spielt die so genannte orale Wahrnehmung eine große Rolle. Man muss Kinder gar nicht ermutigen, etwas in den Mund zu stecken. Sie tun es von ganz alleine – und zum Leidwesen der Eltern eben auch häufig mit Dingen, die dort nicht hingehören.
Sobald die Zähne voll ausgebildet sind und das Kind immer mehr feste Nahrung zu sich nehmen kann, wird in der Regel das Stillbedürfnis allmählich nachlassen. In jedem Fall gilt: Ab dem ersten Geburtstag können Kinder jede Art von fester Nahrung zu sich nehmen.
Nach der Entbindung stellt die hkk für ihre Versicherten Leistungen einer Hebammen-Begleitung während des Wochenbetts und sogar darüber hinaus zur Verfügung. Die jungen Mütter können bis zu zehn Tage nach dem Geburtstermin 20 Hebammen-Besuche in Anspruch nehmen. Innerhalb der ersten zwölf Lebenswochen des Neugeborenen können sie insgesamt weitere 16 Beratungen erhalten.