Kreativität durch Langeweile

Das Schauen aus dem Fenster. Das Stieren auf die Tapete. Das Querhängen auf einem Sessel. Irgendwann kommt der Satz: „Mir ist so langweilig.“ Viele Eltern liefern in solchen Situationen Vorschläge für Aktivitäten, die vom Lesen bis zum Üben des Musikinstrumentes reichen. Schließlich muss der Langeweile Abhilfe geschaffen werden.

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Der Tagesplan von vielen Kindern ist durchgetaktet: Dienstag Tennis, Mittwoch Klavier, Donnerstag Nachhilfe. Viel Zeit für das Rumtrödeln und Nichtstun bleibt nicht. Spontanes Spielen, das Toben oder einfach nur in die Luft zu gucken – diese Dinge kommen zu kurz. Entsteht plötzlich freie Zeit ohne Aktivitäten, ist diese Erfahrung für die Kids kaum zu ertragen. Für ihre Eltern ist es in der Regel ebenfalls ein anstrengender Moment. Dennoch ist es sinnvoll, das Nörgeln des gelangweilten Kindes mal auszuhalten. Dieses Vakuum an Reizen ermöglicht den Kindern, eigenständig Spielideen zu entwickeln. Verschüttete Kreativität kann sich neu entfalten. Aus eigenem Antrieb entsteht oft aus dem Nichts etwas ganz Neues, etwas Eigenes. Kinder denken sich Aktionen und Geschichten aus. Sie erleben sich dabei als selbstständig handelnde Subjekte. Das trainiert nicht nur das kreative Denken, sondern stärkt letztlich auch das Selbstbewusstsein.

Rundum-Programm für Kinder

Es ist völlig normal, dass an einem gewöhnlichen Tag nach Schulschluss nicht nur die Hausaufgaben akkurat erledigt werden, sondern zusätzliche Lernaktivitäten auf dem Programm stehen. Der Alltag vieler junger Menschen ist daher mittlerweile genauso verplant wie bei Erwachsenen. Nachhilfeunterricht, Musikschule oder Sport: Ein Termin jagt den anderen. In den Ferien wird selbstverständlich Kinderfreizeit gebucht. Und selbst der Kindergeburtstag wird oft mit einem Lernprogramm verknüpft.

Das alles ist vom Prinzip her nicht schlecht. Allerdings bleibt dann häufig für freies und spontanes Spiel kaum noch Raum. Und so ist es wenig überraschend, dass viele Kinder nichts mit sich und ihrer Freizeit anfangen können, sobald der Nachschub an äußeren Reizen und Beschäftigungsimpulsen versiegt. 

Langeweile fördert Kreativität

Was also tun? Erfahrene Pädagogen und Erziehungswissenschaftler raten mittlerweile: Nichts - und die Langeweile der Kinder aushalten! Denn Langeweile wird in ihrer elementaren Bedeutung für die kindliche Entwicklung von unserer Leistungsgesellschaft häufig verkannt. Denn es ist gerade die Langeweile, also ein Vakuum an äußeren Spielreizen, das Kinder dazu bringt, eigenständig Spielideen zu entwickeln. Das Fehlen äußerer Impulse bietet der kindlichen Kreativität Raum zur Entfaltung.

Denn zwar gilt typischerweise: Kinder, die sich langweilen, wenden sich meist an die Eltern oder andere anwesende Vertrauenspersonen - und zwar mit der der Erwartungshaltung, diese würden sich mit ihnen beschäftigen. Wird diese Erwartungshaltung nicht befriedigt, kommt es zunächst zu einer Quengel- und Nörgel-Phase. Diese wird dann jedoch normalerweise abgelöst von einem kreativen Prozess: Um den lähmenden Zustand der Langeweile zu überwinden, entwickeln Kinder aus dem Nichts heraus Spielideen. Das funktioniert auch mit ganz rudimentären Voraussetzungen.

Damit dies gelingen kann, müssen es auch die Eltern aushalten, wenn die Kinder gelangweilt sind, und dürfen nicht immer sofort ein Unterhaltungs- oder Ablenkungsprogramm anbieten. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass man sich überhaupt nicht mehr mit seinen Kindern beschäftigen soll. Vielmehr geht es darum, dem Nachwuchs mehr Freiraum für unangeleitetes Spiel zu geben - und zu erkennen: Um Langeweile zu überwinden, lassen sich Kinder etwas einfallen - und zwar auch ohne Erwachsene! Dabei entsteht häufig aus dem Nichts etwas ganz Neues, Eigenes: Kinder denken sich Spiele und Geschichten aus - und erleben sich dabei als selbstständig handelnde Subjekte. Das trainiert nicht nur das kreative Denken, sondern stärkt letztlich auch das Selbstbewusstsein.

Stärkung des Selbstbewusstseins

Letztlich handelt es sich hierbei um Fähigkeiten, die in der heutigen Arbeitswelt immer größere Bedeutung gewinnen. Schließlich sind in immer mehr Berufen kreative Lösungsstrategien gefragt - und nicht das immer gleiche Abarbeiten von identischen Aufgaben. Das freie und kreative Spiel, das häufig aus der Langeweile heraus entsteht, ist somit alles andere als vertane Zeit. Vielmehr handelt kann man darin auch ein wertvolles Training für die Anforderungen der sich rasant wandelnden Arbeitswelt sehen.

Studie pro Langeweile

Dass durch Langeweile unser Gehirn so richtig kreativ agieren kann, beweist auch eine Studie der University of California. Hier überzeugte die Probanden-Gruppe, die vor der kreativen Aufgabe erst eine langweilige Aufgabe bekommen hatte. Ihre Ergebnisse waren im Vergleich über 40 Prozent besser und somit kreativer, als die der Vergleichsgruppen.