Gut gekleideter Junge, der auf einen Telefonbildschirm schaut
Gut gekleideter Junge, der auf einen Telefonbildschirm schaut

Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen: Achtsam im Netz

Digitale Medien sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie prägen Kommunikation, Freizeit und Lernen, besonders im Leben junger Menschen. Doch wie gelingt ein bewusster Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen, damit die Chancen die Risiken überwiegen?

Qualitätssicherung: Philipp Grätzel von Grätz, Arzt und Medizinjournalist

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Was versteht man unter Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen?

Wenn heute von „Medien“ die Rede ist, geht es oft um digitale Angebote – vom Fernsehen über Social Media bis hin zu Online-Games. Besonders im Mittelpunkt: die Zeit am Smartphone. Aber Medienkonsum umfasst mehr als nur Bildschirmzeit. Auch Bücher, Hörspiele oder Podcasts gehören dazu und prägen den Alltag vieler Kinder und Jugendlicher.

Welche Medien nutzen Kinder und Jugendliche wie intensiv?

Experten warnen: Kinder nutzen digitale Medien zu früh, zu oft und zu lange. Laut einer Studie im Auftrag von Bitkom besitzen 17 Prozent der 6- bis 9-Jährigen ein eigenes Smartphone, bei 10- bis 12-Jährigen sind es bereits 76 Prozent, und ab 16 Jahren schon über 95 Prozent. Befragt wurden 900 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren.

Dass das Smartphone für sie das wichtigste Mediengerät in ihrer Freizeit ist, zeigt die JIM-Studie 2024 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest. Demnach sind 12- bis 13-Jährige täglich im Schnitt 142 Minuten online, 18- bis 19-Jährige schon 252 Minuten.

Videos auf Internet-Plattformen wie YouTube sehen 85 Prozent der 12- bis 19-Jährigen regelmäßig an. Daneben setzen sich knapp drei Viertel der Jugendlichen mehrmals pro Woche vor den Fernseher. Mit digitalen Spielen beschäftigen sich 73 Prozent täglich oder mehrmals pro Woche.

Welche Auswirkungen hat übermäßiger Medienkonsum auf Kinder und Jugendliche?

Übermäßiger Medienkonsum kann bei Kindern und Jugendlichen zahlreiche schädliche Folgen haben, wie z. B. Übergewicht, Schlafstörungen, Entwicklungsstörungen, Depressionen und verminderte Kreativität. Die „Leitlinie zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs“ der DGKJ nennt auch Konflikte, Leistungsabfall, Vereinsamung und Vernachlässigung wichtiger Aktivitäten als mögliche Folgen.

Vor allem in den ersten drei Lebensjahren, wenn wichtige Gehirnprozesse stattfinden, brauchen Kinder viele analoge Erfahrungen, um kreativ zu werden und ihre Sinne zu schärfen. Doch auch über die ersten Lebensjahre hinaus gehen mit der passiven Zeit vor dem Bildschirm viele Chancen verloren, sich als selbstwirksam und gestalterisch zu erleben. Im Umkehrschluss zeigen Studien, dass weniger Bildschirmzeit nachweislich positive Effekte auf zahlreiche Entwicklungsbereiche, wie Motorik, Aufmerksamkeit und soziales Verhalten haben.

Mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko, auf belastende Inhalte im Internet zu stoßen. Laut der JIM-Studie 2024 haben 57 Prozent der Jugendlichen beleidigende Kommentare erhalten, 43 Prozent Verschwörungstheorien gesehen, 29 Prozent wurden sexuell belästigt und 11 Prozent online beleidigt. Diese Erfahrungen können psychische Probleme verstärken. Auch Essstörungen können durch Social Media verstärkt werden.

Woran erkennt man eine Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen?

Anzeichen für einen problematischen Medienkonsum können sein:

  • Kontrollverlust: Schwierigkeit, die Nutzung zu stoppen.
  • Verlust des Interesses: Nur noch Bildschirmmedien motivieren.
  • Übermäßige Beschäftigung: Ständige Gedanken an Bildschirmmedien.
  • Psychosoziale Folgen: Beeinträchtigung von Familienaktivitäten.
  • Konflikte: Medienkonsum verursacht familiäre Auseinandersetzungen.
  • Rückzug: Frustration ohne Bildschirmmedien.
  • Täuschung: Heimliche Nutzung.
  • Flucht: Medien als Stimmungsaufheller nach schlechten Tagen.
  • Schulalltag: Konzentrationsprobleme, Schlafmangel, Schulfehltage, Leistungsabfall.

Wie häufig ist problematische Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen?

Seit 2019 untersucht das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), wie viele junge Menschen Medien in riskantem Umfang nutzen. Befragt wurden Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren sowie jeweils ein Elternteil oder Erziehungsberechtigter aus repräsentativen Haushalten.

2023 erfüllten elf Prozent der 10- bis 17-Jährigen die Kriterien für riskantes Computerspielverhalten, vierzehn Prozent für eine riskante Nutzung von Video-Streaming-Diensten und vierundzwanzig Prozent für soziale Medien. Betroffene Kinder und Jugendliche berichteten häufiger von depressiven Symptomen, Angstzuständen und einem höheren Stresslevel als unauffällige Nutzer. Der Teufelskreis: Psychische Belastung fördert problematische Mediennutzung, die wiederum neue psychische Probleme schafft.

Welche Rolle spielt die Familie?

Ein zu hoher Medienkonsum passiert vor allem bei kleinen Kindern nicht einfach so, sondern steht im Zusammenhang mit der konkreten Lebenssituation der Familie. Schon vor der Erfindung des Smartphones war bekannt: Ist die häusliche Situation angespannt, ist der Medienkonsum der Kinder oftmals besonders hoch. Das zeigte auch die Studie des UKE. Je schlechter die Kommunikation und Funktionalität der Familie, desto kritischer die Mediennutzung der Kinder.

Welche Regeln sollten Eltern für den Medienkonsum ihrer Kinder und Jugendlichen vorgeben?

Allgemein gilt: Je weniger Bildschirmzeit, desto besser. Pauschal verteufelt, sollten digitale Medien allerdings nicht, sondern ein gesunder Umgang gefördert werden. Dieser hängt nicht nur vom Alter der Kinder ab, sondern auch von den Inhalten und der Art der Nutzung.

Eltern sollten zum Beispiel selbst einen bewussten Umgang mit Medien vorleben und sich für die Inhalte der Kinder interessieren: Welche Videos schaut mein Sohn? Was fasziniert meine Tochter an diesem Spiel? Was wird in Kinderserien vermittelt? Ehrliches Interesse und offener Austausch helfen, dass Kinder sich sicherer im Internet bewegen und sich bei Problemen an Vertrauenspersonen wenden.

Medienfreie Zeiten, wie beim Essen oder Schlafen, sind ebenfalls wichtig. Bei kleinen Kindern können Softwarelösungen die Nutzung einschränken und schädliche Inhalte blockieren.

Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ) geben eine Orientierung, welcher Medienkonsum in welchem Alter angemessen ist.

Empfehlung

1

Kleinkinder

Eltern sollten Kinder unter 3 Jahren von jeglichen Bildschirmmedien fernhalten – auch passive Nutzung kann ihnen schaden. Etwa, wenn sie den großen Geschwistern über die Schulter schauen oder der Fernseher im Hintergrund läuft. Wenn Erwachsene dringend eine Nachricht beantworten müssen oder eine E-Mail lesen möchten, empfiehlt es sich, einen Zeitpunkt abzupassen, in dem das Baby bzw. das Kleinkind nicht dabei ist.

2

Kindergartenalter

Eltern, die ihren Kindergartenkindern digitale Medien erlauben, sollten die Nutzung auf maximal 30 Minuten an einzelnen, nicht aufeinanderfolgenden Tagen begrenzen und ihre Kinder dabei begleiten. Klare Regeln helfen, dass Kinder lernen, Medienzeit zu begrenzen. Medien sollten niemals als Belohnung, Bestrafung oder Beruhigung dienen. Stopp- oder Sanduhren sowie entsprechende Software, die das Video automatisch beendet, unterstützen dabei, das Zeitlimit einzuhalten.

3

Grundschulalter

Kinder im Alter von 6 bis 9 Jahren sollten maximal 30 bis 45 Minuten pro Tag vor dem Bildschirm verbringen. Eltern sollten dabei sein und die Inhalte im Blick behalten. Eine eigene Spielekonsole ist in diesem Alter nicht empfehlenswert – sie sollte zum Beispiel in einem abgeschlossenen Schrank aufbewahrt werden, damit der Impuls zur Nutzung nicht ständig vorhanden ist.

4

Weiterführende Schule

Um Kinder vor verstörenden Inhalten zu schützen, sollten Eltern Zugangssicherungen nutzen. Ab 9 Jahren können Kinder online sein, aber bis 16 Jahre nur unter Aufsicht. Ein eigenes Smartphone empfiehlt die DGKJ frühestens ab 12 Jahren, mit kindgerechten Einstellungen und Beschränkungen. Bildschirmzeit sollte maximal zwei Stunden täglich betragen. Eltern sollten weiterhin regelmäßig mit ihren Kindern über Nutzung und Inhalte sprechen und beobachten, wie sich der Konsum auswirkt – auch Jugendliche bis 18 Jahren benötigen manchmal noch Begleitung, um die Zeit gesund zu begrenzen.

Chancen und Risiken

Mediennutzung ist nicht per se schädlich. Mit maßvollem Konsum und sinnvoller Nutzung können sie sogar Kreativität fördern, beim Lernen unterstützen und den Austausch mit Gleichgesinnten ermöglichen.

Doch die Risiken sind real: Kinder und Jugendliche stoßen schnell auf belastende Inhalte, Cyber-Mobbing wird häufiger, und der Umgang mit persönlichen Daten ist oft sorglos. Auch exzessiver Medienkonsum kann schädlich sein, wenn er andere Interessen und Verpflichtungen verdrängt. Eltern sollten aufmerksam sein und bei Bedarf eingreifen oder Unterstützung suchen.

Hilfreiche Links

Die Initiative SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht hilft Familien bei der Medienerziehung – mit hilfreichen Newslettern, Wissenswertes zu den verschiedensten Medienthemen, alltagstauglichen Tipps, Medienkursen und Checklisten.

Die Seite Bildschirmfrei bis 3 möchte Eltern auf Gefahren im Zusammenhang mit Bildschirmmedien aufmerksam machen und Eltern in den ersten drei Lebensjahren des Kindes mit Hintergrundinformationen, Elternbriefen und einem Medienreifetest unterstützen.

Medien-kindersicher.de informiert Eltern über technische Schutzlösungen für die Geräte, Dienste und Apps ihres Kindes. Die Initiative bietet mit ihrem Medien-kindersicher-Assistenten die Möglichkeit, sich auf Basis des Alters des Kindes und den von ihm genutzten Geräten und Diensten eine maßgeschneiderte Schutzlösung zu erstellen.

Der Elternratgeber FLIMMO möchte Eltern unterstützen, bei der Fülle an Angeboten im TV, auf Streaming-Plattformen, YouTube/TikTok/Instagram und im Kino den Überblick zu behalten und altersgerecht auszuwählen. Eine Ampel zeigt auf einen Blick, ob ein Film, eine Serie oder ein Kanal für Kinder geeignet ist oder nicht – und wenn ja, ab welchem Alter.

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