Ängste der Kinder ernst nehmen
Es ist normal, dass sich Kinder und Jugendliche ohne Grund fürchten. Wichtig ist, dass Eltern mit solchen Situationen einfühlsam umgehen. Denn ein lapidar dahingesagtes "Du musst keine Angst haben" lässt Kinder mit ihrer Furcht alleine.
Kinder und auch Jugendliche entwickeln vielerlei Ängste: Sei es die Idee, unter dem Bett lebten gefräßige Monster. Oder die konkrete Angst, bei einer Prüfung zu versagen. Oder auch nur eine diffuse Furcht vor der Dunkelheit. Oftmals sind diese Ängste völlig unbegründet. Schließlich gibt es weder unterm Bett noch ist Dunkelheit an sich eine Bedrohung. Auch Prüfungssituationen sind in der Regel weit weniger schlimm, als befürchtet. Dennoch empfindet man all diese Ängste als ganz real - und der Körper reagiert entsprechend mit der Ausschüttung von Stresshormonen.
Kein konstruktiver Umgang
Für Eltern, die natürlich einen ganz anderen Überblick haben, ist es dann oft schwierig, die Sorgen der Jüngsten nicht einfach mit einem lapidaren "Du musst keine Angst haben!" abzutun - und es dabei bewenden zu lassen. Denn so verschwinden die Ängste in der Regel nicht. Die Kinder fühlen sich alleine gelassen - und lernen nicht, mit Angst und Furcht konstruktiv umzugehen.
Noch weniger empfehlenswert ist eine Aussage wie "Stell dich nicht so an". Und auch ein sich lustig machen über ängstliche Reaktionen muss Tabu sein. Denn auch das lässt die Furcht nicht verschwinden. Stattdessen bekommt das Kind vermittelt: Mit dir stimmt etwas nicht. In der Folge gehen Kinder häufig dazu über, die Ängste für sich zu behalten - und dauerhaft "in sich hineinzufressen". Es kommt zu einem schleichenden Vertrauensverlust. Und es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kinder bei zukünftigen Ängsten - ganz gleich, ob unbegründet oder tatsächlich mit ernstem Hintergrund - nicht mehr vertrauensvoll an die Eltern wenden. Das kann einerseits im Extremfall zur Entwicklung einer Angsterkrankung beitragen. Andererseits besteht die Gefahr, dass wirkliche Bedrohungen unerkannt bleiben.
Angst als Teil des Überlebensinstinkts
Stattdessen ist es wichtig, eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Angst zu ermöglichen und die Kinder spüren zu lassen, dass Ängste etwas völlig Normales sind: Schließlich fürchtet sich jeder Mensch vor irgendetwas oder in bestimmten Situationen. Und häufig sind Ängste auch sehr sinnvoll. Ängste bringen uns zum Beispiel dazu, in gefährlichen Situationen besonders vorsichtig zu sein. Wer zum Beispiel an einem tiefen Abgrund vorbei muss und Höhenangst verspürt, der wird seine Schritte sehr sorgfältig wählen. Aus Sicht der Evolutionstheorie lässt sich daher sagen: Ohne die menschliche Fähigkeit, Angst zu verspüren, wäre das Überleben der Spezies gefährdet. Denn oft genug sind es nicht rationale Überlegungen, die uns davor bewahren, gefährlich leichtsinnig zu handeln, sondern nackte Ängste.
Eltern sollten daher immer klarstellen, dass es keinen Grund gibt, sich für seine Angst zu schämen - ganz gleich, ob sie begründet oder irrational ist. Außerdem sollten Eltern vermitteln: Angst und Mut schließen sich nicht gegeneinander aus. Wer sich in einer konkreten Situation fürchtet, kann dennoch mutig sein. Allein schon die Tatsache, zu seinen Ängsten zu stehen und diese zu artikulieren, erfordert Mut. Und gerade in brenzligen Situationen kann uns die Angst helfen, entschlossen zu handeln - und so Mut zu beweisen.
Selbstbewusstsein stärken
Fühlen sich Kinder und auch Jugendlich aufgrund einer konkreten Angst mutlos, hilft es häufig, sie an Situationen zu erinnern, in denen sie Mut bewiesen haben. Es macht Sinn, in solchen Situationen an die guten und starken Eigenschaften der Tochter oder des Sohnes zu erinnern. Das stärkt das Selbstbewusstsein und hilft, die Ängste zu relativieren.
Geben Sie daher Ihrem Kind die Gelegenheit, über seine Ängste zu sprechen - und schaffen Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre. Hören Sie geduldig zu und stellen Sie einfühlsame Fragen. Auch körperliche Nähe ist sinnvoll: Oft erreicht man mit dem Halten der Hand oder ein in-den-Arm-nehmen mehr als mit Worte.