Neurodermitis bei Babys ist für Eltern zunächst ein Schreck. Häufig treten Rötungen und trockene Stellen auf der Babyhaut bereits in den ersten Lebensmonaten auf. Zum Glück verschwinden die Symptome beim Heranwachsen oft von selbst.
Qualitätssicherung:Philipp Grätzel von Grätz, Arzt und Medizinjournalist
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Die Haut von Neugeborenen ist zart und empfindlich. Nicht umsonst ist der Babypopo ein Synonym für weiche Haut. Umso mehr sorgen sich frischgebackene Eltern, wenn auf dem Gesicht oder Körper ihres Babys Rötungen und Schüppchen auftauchen. Der Besuch beim Kinderarzt bringe Klarheit, sagt Dr. Sebastian Groth, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin: „Wichtig ist immer der Leidensdruck. Wenn die Rötungen oder das Jucken länger als ein paar Tage anhalten und mit einer guten Hautpflege nicht weggehen, sollte man einen Kinderarzt aufsuchen.“ Denn dann kann eine Neurodermitis dahinterstecken.
Was ist Neurodermitis?
Neurodermitis (ICD-Code L20.–) ist eine chronische Erkrankung der Haut. Meist verläuft sie in Schüben, für Baby oder Kleinkind eine juckende und schmerzende Angelegenheit. Typisch sind eine trockene, gerötete Haut und Schuppenbildung. Sind die Schübe schwerer, verliert die entzündete Haut ihre natürliche Schutzfunktion. Reizstoffe aus der Umwelt, Allergene oder Krankheitserreger haben ohne den Schutz der Haut leichtes Spiel, Infektionen drohen.
Die Krankheit, die auch als atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem bekannt ist, tritt häufig im Kindesalter auf, oft bereits in den ersten Lebensmonaten. Zahlen der hkk-Versicherung zeigen, dass in den letzten zehn Jahren bei 14-18 Prozent der Kinder zwischen 0 und 10 Jahren eine Neurodermitis diagnostiziert wurde.
Symptome einer Neurodermitis bei Babys
Die Symptome einer Neurodermitis bei Babys sind laut Dr. Groth unterschiedlich stark. Oft werden sie bei einer Vorsorgeuntersuchung nur nebenher diagnostiziert, weil die Eltern ihnen keine große Bedeutung beigemessen haben. „Bei Babys reicht die Bandbreite von einer leicht geröteten oder trockenen Hautstelle bis hin zu schweren Ekzemen. Letztere können zu Komplikationen wie Pilz- oder bakterielle Infektionen führen, weil die Haut ihre Schutzfunktion nicht mehr richtig aufrechterhalten kann.“
Neurodermitis ist zwar nicht rasch heilbar, bessert sich aber oft von selbst. Bei mehr als einem Drittel der Betroffenen reduzieren sich die Symptome beim Heranwachsen, und in vielen Fällen verschwinden sie sogar vollständig. „Es ist oft so, dass gerade bei Babys Ekzeme häufiger auftreten und das dann weniger wird. Die meisten haben im späteren Lebensalter keine Probleme mehr,“ sagt Dr. Groth. Die Wahrscheinlichkeit für Allergien und Überempfindlichkeiten bleibt jedoch lebenslang erhöht.
Hintergrund: Was löst Neurodermitis bei Babys und Kleinkindern aus?
Die genetische Veranlagung spielt für die Entstehung einer Neurodermitis und die damit einhergehenden Allergien eine große Rolle. Wenn es Neurodermitiker in der Verwandtschaft gibt, ist es wahrscheinlicher, dass der Nachwuchs ebenfalls eine Neurodermitis entwickelt. Das Risiko steigt aber auch, wenn ein oder beide Elternteile an einer anderen atopischen Erkrankung leiden, zum Beispiel Heuschnupfen oder allergisches Asthma. Unter „atopischer Erkrankung“ verstehen Mediziner eine erblich mitbedingte Neigung zu bestimmten Arten von Allergien und Überempfindlichkeitsreaktionen, die alle nach einem ähnlichen immunologischen Mechanismus ablaufen.
Es gibt unterschiedliche Gene, die einer Neurodermitis zugrunde liegen können. Bei vielen Erkrankten ist zum Beispiel ein bestimmtes Gen so verändert, dass in der Haut weniger von dem Eiweiß Filaggrin produziert wird. Dieses Eiweiß ist wichtig für eine normale Struktur der Haut und ihrer Hornschicht. Produziert der Körper zu wenig davon, trocknet die Haut aus.
Eine genetische Veranlagung allein heißt nicht, dass sich auch wirklich eine Neurodermitis entwickelt. Damit eine Neurodermitis ausbricht, sind weitere Faktoren nötig, zum Beispiel Kontakt zu externen Allergenen, die über die Haut oder auch über die Nahrung aufgenommen werden.
Diese Faktoren können einen Ausbruch von Neurodermitis fördern:
Höheres Alter der Mutter bei der Geburt
Stress
Textilien, die die Haut reizen
zu häufiges Waschen mit Seife, Konservierungsstoffe in Cremes
Tabakrauch
bestimmte Lebensmittel, auf die der Organismus empfindlich reagiert
Hitze, Schwüle, Kälte oder andere Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen
Anzeichen: So erkennen Sie Neurodermitis bei Ihrem Baby
Die erste Vorform der Neurodermitis kann bereits bei Säuglingen auftreten, häufig in der Phase nach dem Abstillen und beim Einführen der Breikost. Anzeichen sind Hautrötungen und Krusten im Gesicht und am Hals, auf dem behaarten Kopf und auf der Streckseite der Arme und der Beine. In selteneren Fällen können auch Bauch und Rücken betroffen sein.
Bei akuten Schüben können sich die Symptome auf den gesamten Körper ausdehnen. Auf der geröteten Haut bilden sich mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen, die nach dem Austrocknen weiße Krusten hinterlassen – den sogenannten Milchschorf. Der Name leitet sich davon ab, dass die Krüstchen gelblich-weiß sind, wie verbrannte Milch. Er ist übrigens nicht zu verwechseln mit Kopfgneis, der so ähnlich aussieht, aber harmlos ist.
Bei Kleinkindern zeigen sich die Ekzeme dann eher an anderen Stellen, zum Beispiel auf den Augenlidern und im Nacken, auf Hand- und Fußrücken, Ellenbogen und vor allem auf den Beugeseiten von Knie- und Ellenbogengelenken.
Was tun bei Neurodermitis bei Babys und Kleinkindern?
Indem Eltern Tagebuch über den Krankheitsverlauf führen, können sie der Neurodermitis und möglichen Auslösern in einigen Fällen auf die Spur kommen. In jedem Fall erleichtern sie damit dem Arzt oder der Ärztin die Diagnose. Der richtige Ansprechpartner ist der Kinderarzt, für den die Erkrankung Alltagsgeschäft ist, da sie häufig vorkommt.
Wenn feststeht, dass tatsächlich eine Neurodermitis vorliegt, geht es an die Therapie der Erkrankung. Zunächst einmal werden bekannte Auslöser identifiziert und möglichst aus dem Weg geschafft. Ein erster Schritt ist eine unterstützende Pflege der Babyhaut, die mehrmals täglich eingecremt werden muss. Oft kann dies bereits helfen.
Behandlung der Neurodermitis bei Babys und Kleinkindern
„Wenn Babys und Kleinkinder länger und öfter betroffen sind, ist die Hautpflege entscheidend wichtig. Sowohl für die Behandlung von akuten Ekzemen als auch zur Prophylaxe von neu auftretenden Ekzemen. Da gibt es besondere Rezepturen, um die Haut sehr gut zu fetten und sehr gut zu pflegen.“ Der Kinderarzt oder die Kinderärztin unterstützt bei der Auswahl geeigneter Produkte.
Bei einem akuten Ekzem kommen Cortisonpräparate zum Einsatz, die entzündungshemmend wirken. „Was im Ekzem geschieht, ist eine Entzündungsreaktion der Haut, und diese können wir mit cortisonhaltigen Salben für einige Tage unterdrücken und so ein rascheres Abheilen des Ekzems bewirken.“
Eine Sorge vor Cortison ist dabei unbegründet, da es nicht geschluckt, sondern nur auf die Haut aufgetragen wird, so Dr. Groth. „Zeitlich begrenzt von außen angewendet, sind die Nebenwirkungen vernachlässigbar.“ Bei sehr schwerer, durch Cremes und Lebensstil nicht beherrschbarer Neurodermitis gibt es mittlerweile noch weitere, sehr wirksame medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Hier müssen dann Spezialisten konsultiert werden.
Weitere Tipps für Babys und Kleinkinder mit Neurodermitis
Ernährung
Die Ernährung des Babys ist wichtig, sie sollte abwechslungsreich sein, auf eventuelle Nahrungsmittelallergien und Unverträglichkeiten des Kindes sollte Rücksicht genommen werden. Bei manchen Kindern hilft es, auf Kuhmilch oder Ersatzprodukte zu verzichten.
Kratzreiz
Juckt die Haut, möchte sich das Baby oder Kleinkind kratzen. Das sollten Eltern allerdings verhindern, denn durch das Kratzen kann die Haut weiter geschädigt werden, Entzündungen können entstehen. Fingernägel sollten daher kurzgehalten werden und Säuglinge können im Schlaf zudem Baumwollhandschuhe tragen, damit das unkontrollierte Kratzen im Schlaf die Haut weniger schädigt.
Sonneneinstrahlung
In den ersten Monaten ist es wichtig, den Säugling vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Später muss unbedingt gut mit Sonnencreme eingecremt und die Haut durch Kleidung geschützt werden. Dabei sollten die Eltern darauf achten, dass das Baby in der Kleidung nicht schwitzt.
Bekleidung
Bei Babykleidung ist generell wichtig, dass sie hautfreundlich ist. Besonders geeignet sind Baumwolle oder Leinen. Im Sommer ist es zudem gut, wenn die Kleidung leicht und atmungsaktiv ist. Vor dem ersten Tragen muss neue Kleidung unbedingt gut gewaschen werden.
Rauchen
In Gegenwart des Babys zu rauchen ist zudem absolut tabu.
Zur Person
Dr. Sebastian Groth, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, ist seit mehr als 15 Jahren niedergelassen in einer Gemeinschaftspraxis in Rendsburg. Neben der Tätigkeit in der Praxis ist Dr. Groth Mitglied des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen und Pressesprecher des Landesverbandes Schleswig-Holstein. In seinen Sprechstunden beschäftigt er sich mehrmals täglich mit dem Thema Neurodermitis.
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