Eltern kennen es: das Kind will nicht einschlafen, oder wacht ständig des nachts auf. Dies stellt sowohl für das Kind, als auch für die Eltern eine große Belastung dar. Dr. med. Andreas Wiefel über das Phänomen der Schlafstörung bei Kleinkindern, über die Ursachen und hilfreiche Maßnahmen für optimale Schlafbedingungen.
Ab wann kann generell von einer Schlafstörung die Rede sein? In einem Alter von 0 bis 6 Jahren ist die Schlafarchitektur noch nicht gefestigt. Sie ist großen individuellen Schwankungen unterworfen. Die Definition einer Schlafstörung hängt in diesem Alter daher vielmehr vom Leidensdruck ab, also ab wann die Betroffenen das Gefühl haben, unter dem Schlafmangel zu leiden. Das kann je nachdem stark variieren.
Welche Schlafdauer ist für Kinder in diesem Alter optimal? Generell kann man bei 14 Stunden Schlaf von einer normalen Schlafdauer bei Säuglingen sprechen. Jedoch mit der Abweichung plus minus 4 Stunden, denn auch an dieser Stelle sind individuelle Schwankungen zu beobachten. Dieser breite Zeit-Korridor wird mit zunehmendem Alter jedoch schmaler. Bis zum zehnten Lebensjahr liegt die mittlere Schlafdauer rein statistisch z.B. schon bei 10 Stunden, plus minus 2 Stunden. Ein Grundschulkind kann demnach ohne Probleme schon um 20 Uhr zu Bett gehen, wenn es um 7 Uhr früh aufstehen muss. In diesem Alter gilt: man kann nie genug schlafen. Ein ausreichendes Schlafverhalten hat generell einen hohen Schutzfaktor für körperliches Wohlbefinden und zur Vorsorge von psychischen Problemen.
Können dauerhafte Schlafprobleme die Gesundheit und Entwicklung von Kindern beeinträchtigen? Leiden Kinder verlängert an Schlafproblemen, setzt ein Teufelskreis ein. Denn der grundlegende gesundheitliche Zustand verschlechtert sich aufgrund der fehlenden Regenerationsphasen stetig und wirkt sich negativ auf die kindliche Entwicklung aus. Ein Schlafproblem tritt entweder aufgrund psychischer oder physischer Ursachen auf. So können unter anderem depressive Verstimmungen die Ursache von Schlafmangel sein. Dies ist jedoch nicht irreparabel, denn eine Psychotherapie kann an dieser Stelle gut ansetzen und Abhilfe leisten. Ist das Schlafproblem eine Folgeerscheinung einer körperlichen Ursache, kann der Kinderarzt diese identifizieren und die notwendigen Schritte einleiten.
Welche Gründe können für Schlafstörungen bei jungen Kindern verantwortlich sein? Das Phänomen Schlafstörung muss in den meisten Fällen nicht als eigenständige Krankheit verstanden werden. Oft handelt es sich vielmehr um eine Begleiterscheinung. Bei Säuglingen und kleinen Kindern ist das Problem z.B. häufig Ausdruck einer Regulationsstörung. Sie haben dann Probleme mit dem eigenständigen Einschlafen ohne elterliche Hilfe oder sie wachen nachts wiederholt auf und schreien. Probleme mit den zentralen vegetativen Funktionen wie Schlafen, Essen und Verdauung (z.B. „Dreimonatskoliken“) sind in der Regel Ausdruck seelischer Befindlichkeiten. Je kleiner die Kinder, desto enger ist das Seelenleben mit den Körperfunktionen verbunden. Es ist auch sinnvoll, das familiäre Umfeld der Kinder genau zu betrachten und zu erörtern, ob dort Ursachen für psychische Belastungen zu verorten sind.
Darüber hinaus können sich Eltern folgende Fragen stellen: Schaut das Kind vor dem Schlafengehen Fernsehen? Hat es einen ruhigen Ort zum Schlafen? Bewegt es sich tagsüber ausreichend? Diese und weitere Faktoren der „Schlafhygiene“ haben einen großen Einfluss darauf, ob Kinder leicht ein- und durchschlafen können. Leider haben auch die zahlreichen „Einschlafhilfen“ manchmal einen unerwünschten Effekt: Fallen diese weg, ist das Kind unter Umständen nicht mehr in der Lage, eigenständig ein- und durchzuschlafen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Herumtragen bis zum Einschlafen.
Was können Eltern tun, wenn das eigene Kind Schlafprobleme hat? In erster Linie gilt es, vor dem Schlafengehen das Kind möglichst gut vor zu viel äußeren Reizen zu schützen. Beim Zubettgehen sollte z.B. nicht die Tagesbesprechung stattfinden, denn das Bett soll nur zum Schlafen bestimmt sein. Nervenaufreibende Aktivitäten und besonders Fernsehen sollten vor dem Schlafengehen vermieden werden. Zu den Faktoren der Schlafhygiene zählen außerdem die Raumtemperatur sowie der Licht- und Geräuschpegel im Schlafzimmer des Kindes. Das Zimmer sollte möglichst dunkel und ruhig sein. Die Raumtemperatur sollte nicht über 18 Grad Celsius liegen. Es ist darüber hinaus wichtig, den Akt des Zubettgehens ohne weitere Aktivitäten zu verknüpfen. Auf diese Weise kann ein Kind die Erfahrung machen, dass es alleine einschlafen kann, ohne rituelle Aktivitäten und die Hilfe der Eltern beanspruchen zu müssen. Dies fördert die Selbstwertbildung und das Selbstvertrauen und ist damit auf Dauer auch die beste Belohnung für ruhige Nächte.
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Herr Dr. med. Andreas Wiefel ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Darüber hinaus ist er Mitglied der Leitlinienkommission „Säuglings- und Kleinkindpsychiatrie“ der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie.