Ein Mann, der verschwitzt in einem Park läuft. Er hält eine Flasche Wasser in der Hand.
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Warum Langzeitdiäten nicht das Gelbe vom Ei sind

Die Art und Menge der Nahrung, die wir zu uns nehmen, hat einen wesentlichen Einfluss auf unseren Stoffwechsel. Im Gespräch räumt die Ernährungsmedizinerin Daniela Kielkowski mit vielverbreiteten Mythen auf. Sie erklärt, warum viele Ernährungstrends dem Körper langfristig schaden können.

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Was ist eigentlich der Stoffwechsel?

Der Stoffwechsel ist die Grundlage unseres Lebens, unserer Gesundheit mit all seinen Organen und Funktionen. Um zu funktionieren benötigt er Energie. Diese muss er selbst herstellen, da jeder Lebensvorgang „bezahlt“ werden muss. Um Energie herzustellen, hat unser Körper im Groben drei Möglichkeiten: Als erstes nimmt er Nahrung auf. Das ist das, was wir dem Körper „bezahlen“ für das, was er leistet. Die zweite Möglichkeit ist Körperfett. Das ist sozusagen sein „Speicher“, sein „Konto“. Drittens kann der Körper auch Energie aus Eiweißen, auch aus der Muskulatur, herstellen. Das ist in etwa sein „Dispokredit“ oder sein „Sparmodus“.

Wie beeinflusst der Stoffwechsel unser Körpergewicht?

Ganz entscheidend, denn unser Körpergewicht hängt von der Funktion unseres Stoffwechsels ab. Je besser mein Stoffwechsel funktioniert, desto gesünder ist mein Gewicht. Ein Stoffwechsel kann sehr schnell sein oder durch schlechte Lebensweise verlangsamt sein. Dadurch kann im Laufe des Lebens immer mehr Übergewicht angehäuft werden.

Wie sieht denn ein gesunder Stoffwechsel aus?

Im besten Fall würde ein guter Stoffwechsel aus der Ernährung leben. Ein gesunder Stoffwechsel ist in der Lage, ständig schwankende Energiedefizite flexibel auszugleichen. Wenn der Körper einmal Defizite hat, weil ihm nicht genug Nahrung zugeführt wurde, würde er sich hauptsächlich aus dem Körperfett bedienen. Die Eiweißverbrennung ist abhängig vom Körperfettanteil und dem Gesundheitszustand. Der Körper muss alles „bezahlen“. Sie gehen zum Beispiel morgens ohne Frühstück aus dem Haus und der Körper würde dies aus seinen Reserven bezahlen. Wenn Sie abends dann drei Teller Spaghetti essen, bräuchten Sie vielleicht keine drei Teller, sondern nur einen. Ihr Körper würde die anderen zwei Teller nicht in Form von Fett anlegen, sondern sie automatisch wieder verbrennen. Ein normalgewichtiger Stoffwechsel kann Energiedefizite also völlig flexibel ausgleichen.

Das heißt im Umkehrschluss, dass dieser Ausgleich bei übergewichtigen Menschen nicht funktioniert?

Genau. Wenn diese Menschen zum Beispiel zu wenig essen, reduziert deren Körper seine „Ausgaben“, sodass sie nicht abnehmen. Wenn sie zu viel essen, legt er den Energieüberschuss in Form von Fett an und sie nehmen zu. Die Energieverteilung findet nicht mehr flexibel statt.

Welche Mythen zum Thema Stoffwechsel und Körpergewicht gibt es?

Tatsächlich existieren sehr viele Mythen. Der bekannteste ist wohl: Jeder Mensch, der dick ist, isst zu viel und bewegt sich wenig. Das ist einfach unfair und schlichtweg falsch. Weiterhin existiert der Glaube, dass Kohlenhydrate oder Fett dick machen. Gute Kohlenhydrate und Fette machen eher schlank, weil sie den Stoffwechsel in Bewegung halten. Ebenso ist es falsch, bei Übergewicht langfristige Diäten zu machen. Diäten sollten immer nur kurze Zeit andauern, um den Stoffwechsel nicht negativ zu irritieren. Ein weiterer Mythos ist, dass alle schlanken Menschen gesund leben. Genetik spielt hier aber eine entscheidende Rolle. Auch das Zählen von Kalorien ist nicht hilfreich. Und nicht zuletzt führt wenig Essen in Kombination mit viel Sport nicht unbedingt zur Gewichtsabnahme.

Wie man wirklich abnimmt, ist dann wohl individuell sehr unterschiedlich.

Ja. Die Ursachen für Übergewicht müssen immer individuell herausgefunden werden. Nicht jeder übergewichtige Mensch isst zu viel oder bewegt sich zu wenig. Stress, Schlafstörungen und bestimmte Erkrankungen können trotz gesunder Ernährung dick machen. Eine nachhaltige Gewichtsabnahme ist nur mit einer personalisierten Ernährungstherapie zu erreichen.

Woran liegt es, dass manche Menschen trotz Diäten, Fasten und Sport nicht abnehmen?

Ein großes Problem ist, dass Menschen mit Gewichtsproblemen ständig im Kopf haben, dass sie abnehmen müssen. Dadurch essen sie komplett falsch. Auf der einen Seite versuchen sie, wenig zu essen und auf gesunde Ernährung zu achten. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Situationen, in denen sie frustriert sind und wieder alles laufen lassen. Die meisten meiner Patienten haben alles probiert und wissen in der Ernährung wahnsinnig gut Bescheid. Dennoch vertrauen sie auf verbreitete Mythen und unbelegte Konzepte wie Intervallfasten oder Low-Carb. Wenn diese überhaupt geeignet sind, dann nur über einen kurzen Zeitraum. Langzeitdiäten machen dagegen den Stoffwechsel kaputt. Das Gehirn möchte „bezahlt“ werden. Wenn Menschen dem Körper immer wieder „Einnahmen“ verweigern, dann lernt das Gehirn mit der Zeit, zu sparen, also die „Ausgaben“ für den Körper zu senken. Der Körper ist dann immer besser in der Lage, mit weniger „Einnahmen“ klarzukommen. Irgendwann verwertet er Energie so sparsam, dass der Betroffene schon mit weniger Essen dick wird, als er ursprünglich verbrauchen müsste.

Wo genau spart der Stoffwechsel dann?

Er kann nicht jeden zweiten Herzschlag ausfallen lassen oder das Gehirn für drei Minuten abschalten. Gespart werden kann aber an den Muskeln, Gelenken, am Immunsystem oder an der persönlichen Kraft. Betroffene sind müde, schlapp, haben trockene oder schuppige Haut, oder depressive Verstimmungen. Auch unregelmäßige Verdauung oder Bandscheibenvorfälle können vorkommen. Das alles, weil der Körper versucht, alles, was er nicht mehr unmittelbar zum Leben benötigt, sparsamer zu bezahlen. Menschen, die ihr ganzes Leben falsch gegessen haben, können deshalb mit zunehmendem Alter immer kränker werden.

Wie lässt sich ein ruinierter Stoffwechsel wieder in den Griff bekommen?

Einem über lange Zeit ruinierten Stoffwechsel muss man zunächst wieder ausgleichen und anständig „bezahlen“, so dass er anfängt, sich wieder wohl zu fühlen. Denn einige Übergewichtige haben eine regelrechte Angst vor dem Essen entwickelt. Ihr Körper hat sich daran angepasst, dass ihm über lange Zeit zu wenig Energie zugeführt wird. Die Betroffenen müssen also lernen, wie viel und wie ausgewogen sie essen müssten, um ein Gewicht erst einmal zu halten. Dieser Prozess sollte am besten durch einen Hausarzt oder einen Ernährungsberater begleitet werden. In manchen Fällen können Betroffene dann sogar mehr essen als sie es sich angewöhnt haben. In den Zeiten, in denen der Körper den höchsten Verbrauch hat – das ist für die meisten Menschen morgens, vormittags und mittags – sollten sie ihm die größten Nahrungsmengen zuführen. Der Körper darf gar nicht erst in die Lage kommen, Eiweiße und Muskeln verbrennen zu müssen. Denn bei übergewichtigen Menschen funktioniert häufig die Fettverbrennung nicht mehr richtig. Sie verbrennen daher auch viele Eiweiße ihrer Muskeln.

Natürlich muss man sich auch den gesamten Lebensstil anschauen: Kraftsport ist bei Übergewichtigen in vielen Fällen kontraindiziert. Denn Menschen mit einer Fettverbrennungsstörung haben ein Sauerstoffproblem in der Muskelzelle. Kraftsport als anaerober Sport würde dies zusätzlich unterstützen. Ernährung ist also meist nur ein Teil des Gesamtproblems.

Müssen Menschen mit einer Fettverbrennungsstörung mehr eiweißreiche Lebensmittel zu sich nehmen?

Nein, das ist zu einfach. Menschen, welche aufgrund einer Fettverbrennungsstörung vermehrt Eiweiß verbrennen, müssen nicht mehr Eiweiß zu sich nehmen. Das würde bedeuten, dass übergewichtige Menschen zu viel Fett essen und dies nur weglassen müssen. Der Stoffwechsel ist viel komplexer.

Gibt es Nahrungsmittel, die den Stoffwechsel anregen?

Es existieren keine klinischen Studien dazu, ob die erhöhte Zufuhr eines bestimmten Nahrungsmittels den Stoffwechsel anregt. Grundsätzlich sind komplexe Kohlenhydrate wie Vollkornprodukte, Kartoffeln oder Reis gesünder als einfache Kohlenhydrate oder Fruchtzucker. Auch Ballaststoffe in Gemüse, Obst oder Vollkornprodukten und gesunde Fette, wie sie in Fisch vorkommen, sind zu empfehlen. Sie werden im Stoffwechsel anders verarbeitet als ungesunde Lebensmittel. In Verbindung mit einem gesunden Lebensstil und viel Bewegung kann sich eine gesunde Ernährung positiv auf den Stoffwechsel auswirken.

Woran liegt es, dass Mythen und Ernährungstrends so verbreitet sind?

Die Bedeutung von Ernährung wird von vielen, die mit Ernährungsberatung Geld verdienen, natürlich übertrieben. Manche argumentieren auch mit ihrer eigenen Abnehmgeschichte. Emotionalisierung ist hier stark verbreitet. Diättrends, die in Lifestyle-Magazinen angepriesen werden, können sicher über kurze Zeit eine Gewichtsabnahme bewirken. Langfristig wirken sie sich vielleicht negativ auf den Stoffwechsel aus. Neben Ernährungswissenschaftlern können Biochemiker im Bereich der Stoffwechselstörungen häufig größere Kompetenz aufweisen als viele Ärzte. Sie kennen sich aufgrund einer umfassenderen biochemischen Ausbildung mit den Prozessen, die im Körper ablaufen, zum Teil besser aus.

Das Foto zeigt Daniele Kielkowski, die auf einem Stuhl sitzt und freundlich in die Kamera schaut.

Zur Person

Daniela Kielkowski ist Ärztin mit dem Schwerpunkt auf Ernährungsmedizin und Stoffwechselerkrankungen.

Themen im Magazin

Oma, Mutter und Tochter sitzen auf dem Boden und trommeln.

Familie

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