Zur Person
Katharina Brundiers ist Biologin und Wissenschaftlerin beim NABU mit dem Fokus Fischereipolitik.
Der Zustand zahlreicher Fischbestände in den Weltmeeren ist äußerst bedenklich. Wegen der Industriefischerei sind viele Arten stark überfischt, der Lebensraum stark geschädigt. Einem Umdenken hin zu mehr Nachhaltigkeit müssen jetzt Taten folgen. Welche Maßnahmen zur Umsetzung eines nachhaltigen Fischfangs nötig sind und welchen Fisch man überhaupt noch bedenkenlos verzehren kann, erzählt Katharina Brundiers, Referentin für Fischereipolitik beim NABU, im Interview.
Welche Faktoren haben zur Überfischung der Weltmeere geführt?
Bis zu den 1980er Jahren sind die Anlandemengen (Teil des gefangenen Fisches, der zum Weiterverkauf an Land gebracht wird) stetig gestiegen. Anfang bis Mitte der 80er gingen sie zurück. Trotz steigendem Fischereiaufwands und immer effizienter werdenden Fangtechnik, wurde immer weniger Fisch gefangen. Die Bestände gingen zurück. Damals wurde den Menschen zum ersten Mal klar, dass die Ressource Fisch nicht ewig und grenzenlos ist. Als Reaktion darauf wurde die Gemeinsame Fischerei Politik (GFP) ins Leben gerufen, die auf europäischer Ebene Rahmenbedingungen für den Fischfang festlegte. Politische und finanzielle Motivationen waren aber wichtiger als ökologische. Somit wurde zwar das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in diesem Kontext geschaffen, jedoch zielten die anschließenden Maßnahmen nicht immer auf Nachhaltigkeit ab. Das zeigt sich für den NABU insbesondere auch dadurch, dass Stellnetze und vor allem Grundschleppnetze auch heute weiterhin legal in Meeresschutzgebieten verwendet werden, obwohl man weiß, dass diese Methoden enorm große Zerstörungen in der Meeresumwelt anrichten.
Warum sind Grundschleppnetze besonders schädlich?
Sie werden tatsächlich über den Meeresboden gezogen, und dringen mit Leinen oder auch Ketten beschwert in den Boden ein. Prinzipiell wird der Meeresboden einmal komplett umgepflügt. Alles was am Boden festsitzt, Organismen, die dort teilweise jahrelang wachsen, ganze Lebensgemeinschaften werden ausradiert. Das meiste davon ist gar nicht für den Verzehr vorgesehen und geeignet. Der Beifang ist bei dieser Methode enorm hoch. Die Grundschleppnetzfischerei findet auch in der deutschen Nord- und Ostsee statt, auch in Meeresschutzgebieten. Erst 2021, 14 Jahre nach Anerkennung der Meeresschutzgebiete in der deutschen Nordsee, wurden von der europäischen Kommission erste Fangbeschränkungen verabschiedet. Im Februar 2021 hatte die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, da die Umsetzung des sogenannten Natura-2000-Netzwerks in Nord- und Ostsee, aber auch an Land, weder konkret noch ambitioniert genug sei.
Welche Maßnahmen sind zur Umsetzung des nachhaltigen Fischfangs nötig?
Nachhaltiger Fischfang umfasst mehrere Aspekte: Zum einen die Schonung der Ressource Fisch über die Quotenregelung, zum anderen der Einsatz von Fischereimethoden, die nur einen geringen negativen Einfluss auf die Meeresumwelt haben. Fangquoten in der Ostsee sind drastisch gesenkt worden. Das ist für die Erholung der Fischbestände gut, jedoch kommt diese Maßnahme zu spät. Die Grundschleppnetzfischerei sollte nach Meinung des NABU stark eingeschränkt, im besten Fall komplett durch umweltschonende Alternativen ersetzt werden. Die Stellnetzfischerei hat als passive Methode einen geringeren negativen Einfluss auf die Meeresumwelt, kann aber den Beifang von Meeressäugetieren, wie Schweinswalen und Meeresvögeln mit sich bringen. Zum Schutz des vom Aussterben bedrohten Schweinswals der zentralen Ostsee werden nun sogenannte Notfallmaßnahmen der EU-Kommission eingeleitet. Diese umfassen ein Stellnetzverbot für einen begrenzten Zeitraum in einigen Meeresschutzgebieten. Denn bisher gibt es für diese Gebiete immer noch keine Regelungen. Wichtig ist es, Meeresschutzgebiete wirklich wie Meeresschutzgebiete zu behandeln. Zum einen gibt es den Ansatz, Schonzeiten einzurichten. Das bedeutet, dass zu gewissen Zeiten im Jahr oder in einer gewissen Saison nicht gefischt werden darf. Zum anderen gibt es den Ansatz der Ortsbegrenzung, also dass bestimmte ausgewiesene Gebiete nicht befischt werden dürfen. Auf diese Weise kann das Risiko gesenkt werden, dass beispielsweise Schweinswale, die zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten vorzufinden sind, in den Netzen als Beifang verenden. Night Setting ist eine weitere Methode, um den Beifang von Vögeln vorzubeugen, indem nur von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang gefischt werden darf. Letztendlich geht es jedoch auch um die Verbraucher, die verstehen müssen, dass grundsätzlich weniger Fisch konsumiert werden sollte. Eins muss allen klar sein: Wollen wir eine nachhaltige Fischerei haben, bei der es um Qualität anstelle von Quantität geht, wird der Fisch teurer werden.
Welche Gütesiegel halten den eigenen Standards tatsächlich stand?
Diese Siegel sind grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, denn sie setzen ihre eigenen Standards. Dann gibt es Gutachter, die prinzipiell unabhängig sein sollen. Letztlich muss man als Konsument genau hinschauen. Sprich: Wenn ein Siegel Nachhaltigkeit und Ökosystemfreundlichkeit als Kriterien angibt, jedoch gleichzeitig eine Schleppnetzfischerei zertifiziert oder Fische aus Naturschutzgebieten gefischt werden, kann das Siegel nur schwer als nachhaltig bezeichnet werden. Eine Fischart ist dabei schwieriger zu zertifizieren als ein Fischereibetrieb. Ein prominentes Beispiel ist das MSC-Siegel, das in puncto Siegel den ersten Schritt gemacht hat. Seit einigen Jahren sind Wissenschaftler und Naturschutzverbände jedoch enttäuscht, dass MSC die eigenen Standards nicht weiterentwickelt hat.
Wie schätzen Sie die Aquakultur von Seelachs z. B. vor den Küsten Norwegens ein?
Hart ausgedrückt ist es eine Massentierhaltung zur See. Der Lebensraum, der für die Aquakultur genutzt wird, fehlt letztendlich dem freilebenden Wildlachs. Darüber hinaus werden Futtermittel und Medikamente eingebracht. Das Energieverhältnis stimmt bei einem Tier wie dem Lachs nicht. Damit ist gemeint, dass aus ökologischer Perspektive zu viel in den gezüchteten Fisch investiert wird. Hinsichtlich der Aquakultur gibt es jedoch auch Bio-Fisch, bei dem darauf geachtet wird, einen geringeren Tierbesatz zu sichern und den Einsatz von Medikamenten zu minimieren.
Welcher Fisch kann heutzutage noch mit gutem Gewissen konsumiert werden?
Prinzipiell kann Hering mit gutem Gewissen verzehrt werden, jedoch sollte darauf geachtet werden, woher der Fisch kommt. Stammt er zum Beispiel aus der Irischen See oder vom Golf von Riga, weiß man, dass die Bestände dort in Ordnung sind. Ansonsten Plattfische, wie Schollen und Flundern, zum Beispiel aus der deutschen Ostsee. Allerdings ist auch in diesem Fall wieder auf die Fischereimethode zu achten. Hering sollte nur aus der pelagischen Schleppnetzfischerei stammen. Plattfische sollten mit Reusen und Fallen gefangen werden. International muss man beim Thunfisch beachten, welche Art gemeint ist. Der blauflossen Thun ist nämlich stark überfischt. Der Bonito-Thunfisch ist dagegen unbedenklich, solange er mit einer Handleine gefangen wird. Das wird selbst bei Thunfisch aus der Dose im Supermarkt auf der Verpackung angegeben, wenn man darauf achtet. Rotlachs aus Alaska ist ebenfalls unbedenklich, jedoch kann man hierbei nicht von einem nachhaltigen Produkt sprechen, wenn es bis nach Deutschland transportiert werden muss.
Katharina Brundiers ist Biologin und Wissenschaftlerin beim NABU mit dem Fokus Fischereipolitik.