173459519
173459519

Vollkornprodukte: Nährstoffreiche Energielieferanten

Fast jedes Kind weiß, dass zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung reichlich Vollkornkost gehört. Doch welche Inhaltsstoffe machen das ganze Korn eigentlich so besonders wertvoll? Die Antwort lautet: vor allem die Ballaststoffe und die komplexen Kohlenhydrate.

Lesezeit: / veröffentlicht:

In kaum einem Ratgeber für eine vollwertige Ernährung dürfen sie fehlen: Vollkornprodukte. In den zehn Regeln für vollwertiges Essen und Trinken der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) kommen Vollkornprodukte bereits an dritter Stelle, direkt nach Obst und Gemüse. Dazu gehören zum Beispiel Vollkornnudeln, Vollkornreis und natürlich Vollkornbrot. Der Begriff „Vollkornbrot“ ist übrigens nicht gleichbedeutend mit einem „Körnerbrot“ oder einem „Mehrkornbrot“. In einem Körnerbrot befinden sich meist sichtbare ganze Körner, während in einem Mehrkornbrot mindestens drei Getreidearten vermahlen sind. Beides kann, muss aber kein Vollkornbrot sein. Ebenso ist eine dunkle Färbung des Brotes kein sicherer Hinweis darauf, dass hier Vollkornmehl vermahlen wurde. Es könnte auch mit Malzsirup oder Zuckercouleur gefärbt sein. Woran kann man nun ein Vollkornbrot mit bloßem Auge erkennen? Das Innere vom Brotteig muss saftig aussehen und nach dem Eindrücken zurückfedern.

Das volle Korn

Bei der Definition von „Vollkornbrot“ ist allein der Anteil an enthaltenem Vollkornmehl relevant: 90 Prozent muss dieser mindestens betragen, damit sich ein Brot „Vollkornbrot“ nennen darf. Im Gegensatz zum Auszugsmehl, auch Weißmehl genannt, wird beim Vollkornmehl das ganze Korn verarbeitet, inklusive der aus Kornhülle und Keimling bestehenden Kleie. Bei ganz weißem Mehl wird dagegen nur der Mehlkörper zermahlen, der zum größten Teil aus Stärke besteht. Gerade die Kornhülle ist jedoch reich an Ballaststoffen, B-Vitaminen, Mineralstoffen wie Zink, Eisen und Magnesium sowie sekundären Pflanzenstoffen. Daher enthält Vollkornmehl mehr wertvolle Nährstoffe als Weißmehl.

Gut für Darm und Blutzucker

Die Ballaststoffe quellen im Magen auf und sorgen damit für einen langfristigen Sättigungseffekt. Zudem helfen sie im Dünndarm dabei, den Anstieg des Blutzuckerspiegels zu drosseln, indem sie sich zwischen Zucker und Darmwand schieben. Sie regen durch ihr Volumen die Verdauung an und ernähren im Dickdarm Bakterien, die vor Darmkrebs schützen und das Immunsystem stärken. Silke Restemeyer von der DGE ergänzt: „Ein regelmäßiger Verzehr ballaststoffreicher Lebensmittel kann bei Beschwerden wie Verstopfung, Hämorrhoiden und Divertikulose helfen. Eine hohe Ballaststoffzufuhr, besonders von Vollkornprodukten, kann der Entstehung von Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Fettstoffwechselstörungen vorbeugen.“

Abnehmen mit Vollkorn?

Vollkornprodukte sind nicht nur gesund, sie können auch beim Abnehmen unterstützen. Neben den wertvollen Ballaststoffen enthalten sie nämlich viele gesunde langkettige Kohlenhydrate, die im Magen nur sehr langsam verarbeitet werden. So steigt der Blutzuckerspiegel nicht so stark an und nur wenig Insulin wird ausgeschüttet. Dadurch wird die Fettverbrennung angekurbelt. Eine Studie um den Forscher Philip Karl von der Tufts University of Boston kam zu dem Ergebnis, dass Vollkorn-Konsumenten aufgrund der aufwendigen Verdauung mehr Kalorien verbrennen. Zudem fällt der Stuhlgang größer aus, weil Ballaststoffe nicht richtig verdaut werden können. Auch dadurch gehen Kalorien verloren.

Unbedenklich: Gluten, Lektine und Phytat

Alle Inhaltsstoffe, die in weißem Mehl enthalten sind, finden sich natürlich auch in Vollkornmehl wieder. Darunter befinden sich auch vermeintlich ungesündere Stoffe: Das Klebereiweiß Gluten gilt allgemein als Ernährungsübeltäter. Für diese landläufige Verurteilung gibt es allerdings keinen Grund und eine glutenfreie Ernährung ist nicht per se gesünder: „Auch wenn anhand des stark wachsenden Angebotes der Eindruck entstehen könnte, glutenfreie Produkte seien grundsätzlich gesundheitsfördernd, sind diese Lebensmittel speziell für Menschen mit einer Unverträglichkeit entwickelt worden“, sagt Silke Restemeyer. Darüber hinaus enthält Getreidemehl auch Lektine und Phytinsäure. Beide Stoffe kommen in Pflanzen vor und können in sehr hohen Mengen gesundheitsschädlich sein. Gerade vor dem Verzehr von teils giftigen Lektinen wird in manchen Buchveröffentlichungen gewarnt, was laut DGE jedoch wenig Substanz hat: „Die Lektine im Getreide sind zwar hitzestabil, aber in den von uns konsumierten Portionen sind so geringe Mengen vorhanden, dass keine Gesundheitsgefahr davon ausgeht.“

Umstellung auf Vollkornkost

Etwaige Bedenken vor Vollkornkost dürften damit aus dem Weg geräumt sein. Für diejenigen, die es möchten, steht der Umstellung auf Vollkornernährung eigentlich nichts mehr im Wege. Einige Dinge sind aber trotzdem zu beachten: Menschen, die eine hohe Ballaststoffzufuhr nicht gewohnt sind, sollten die Menge langsam steigern. „Denn in großer Menge können Ballaststoffe kurzfristig zu Blähungen, Schmerzen im Magen-Darm-Trakt oder unerwünschten Veränderungen des Stuhls führen“, sagt Silke Restemeyer von der DGE. Auch die individuell verträgliche Menge kann sich unterscheiden. Ballaststoffe binden zudem Wasser. „Gerade bei größeren Mengen sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, damit die Ballaststoffe richtig aufquellen und somit ihre positive Wirkung entfalten können. Ideal sind rund 1,5 Liter Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie ungesüßter Tee.“

Wechselvolle Geschichte

Im 17. Jahrhundert galt das grobe Vollkornbrot als rückständig, feines Weißbrot war dagegen ein Statussymbol der Oberschicht. Mit Beginn der Lebensreformbewegung im 19. Jahrhundert änderte sich dies. Vollkornmehl wurde von hieran als besonders natürlich angepriesen.

Die Nationalsozialisten waren stark durch die Lebensreformer beeinflusst und förderten Vollkornbrot aus propagandistischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. So wurde 1939 der „Reichsvollkornbrotausschuss“ gegründet, um den Verzehr durchzusetzen.

Negative Erinnerungen an minderwertiges Vollkornbrot zu Kriegszeiten führten dazu, dass es in den Fünfzigern wieder verpönt war. Mit der Umweltbewegung in den Siebzigerjahren gewann Vollkornbrot aber wieder an Ansehen und behielt es bis heute.

Zur Person

Silke Restemeyer hat Haushalts- und Ernährungswissenschaften an der Universität in Gießen studiert und ist im Referat Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. beschäftigt.

Ähnliche Artikel