Ein Mann im Anzug stemmt sich mit seinem Regenschirm gegen den Wind
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Resilienz: das Immunsystem der Seele

Der Begriff der Resilienz rückt seit einiger Zeit immer stärker in den Fokus der Medien. Dabei kann man die Berichterstattung in zwei Gruppen gliedern: Die eine Gruppe beschäftigt sich mit dem medizinischen Phänomen, während die andere den Schwerpunkt auf die Stärkung der Resilienz legt. Dazu kommen noch zahlreiche Coaching-Angebote zu diesem Thema. Doch worum genau handelt es sich, wenn wir von Resilienz sprechen?

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Keine Chance für Stress, Depression und Burn-out

Das Leben ist nicht immer leicht: Eine schlimme Diagnose vom Arzt, der Verlust des Jobs oder die Trennung vom Partner sind Schicksalsschläge, die jeden urplötzlich treffen können. Das Interessante daran ist: Es gibt Menschen, die solche Krisen nicht umhauen – im Gegenteil. Manche gehen sogar gestärkt aus ihnen hervor. Hierbei handelt es sich um eine Fähigkeit, die in der Psychologie Resilienz genannt wird. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde. Er beschreibt die Eigenschaft hochelastischer Materialien, nach Belastungen wieder in ihren Ausgangszustand zurückzukehren. Bei Menschen steht Resilienz für seelische Widerstandsfähigkeit gegenüber traumatischen, krisenhaften Belastungen.

Gleiches gilt auch für große Erfolgsmomente, mit denen viele überfordert sind und sogar an ihnen zerbrechen. Andere Menschen scheinen die Herausforderungen des Lebens besser zu meistern. Wenn sie hinfallen, dann stehen sie wieder auf. Sie akzeptieren Dinge, die sich nicht ändern lassen und besitzen jede Menge Gelassenheit.

Begriffserklärung

Der Begriff selbst stammt ursprünglich nicht aus der Medizin, klärt uns Frau Dr. Isabella Helmreich vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz auf: „Der Begriff der Resilienz stammt eigentlich aus der Materialforschung und beschreibt die Fähigkeit eines Materials, sich nach der Verformung wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzubegeben. In Bezug auf den Menschen beschreibt es die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der psychischen Gesundheit nach Widrigkeiten oder Krisen.“

Kurz gesagt dreht es sich um psychische Widerstandsfähigkeit. Diese ist zum Teil angeboren und zum Teil erlernt. Die Forschung geht davon aus, dass genetische Faktoren zu 30 bis 50 Prozent ausschlaggebend sind.  

Kognitive Fähigkeiten sind die Basis für eine starke Resilienz

Zu den kognitiven Faktoren, die bei Resilienz eine entscheidende Rolle spielen, gehören Selbstwirksamkeitserwartung, realistischer Optimismus, Kontrollüberzeugung, Kohärenzgefühl und analytische Fähigkeiten. Die Basis für eine starke Resilienz ist hierbei, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die man selbst beeinflussen kann. Indem man die Ausgangslage überprüft, sich realistische Ziele setzt und sich aktiv um ihr Erreichen bemüht. 

Selbstwirksamkeitserwartung und Kontrollüberzeugung: Gegen das Gefühl des Ausgeliefertseins

Kennst du das auch? Du bist dir sicher, dass du deine eigene Lage beeinflussen kannst. Sowohl negativ als auch positiv. Dann erfüllst du bereits eine wichtige Voraussetzung für die beiden kognitiven Fähigkeiten von Resilienz: Selbstwirksamkeitserwartung und Kontrollüberzeugung. Hinderlich ist es dagegen, die beiden Faktoren infrage zu stellen. Denn dann hast du das Gefühl, dass du den Umständen ausgeliefert bist. Du nimmst an, dass du keinen Einfluss auf deine Lebenssituation hast. Selbstwirksamkeitserwartung und Kontrollüberzeugung zweifelst du an.

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Auf die kognitiven Fähigkeiten konzentrieren und Einfluss nehmen

Für eine starke Resilienz ist es wichtig, sich klarzumachen, dass wir Einfluss auf unser Leben nehmen können. Wir selbst sind wirksam und genau diese Wirksamkeit können wir auch erwarten. Den Ereignissen sind wir nicht machtlos ausgeliefert. Denn es macht einen Unterschied, ob wir Einfluss nehmen oder nicht. Wir haben die Kontrolle und können davon überzeugt sein, neue Möglichkeiten zu erhalten, wenn wir Denkmuster hinterfragen und uns auf unsere kognitiven Fähigkeiten konzentrieren.

Realistischer Optimismus: Nach Lösungen suchen, anstatt aufzugeben

Hand aufs Herz: Rechnest du in schwierigen Situationen eher mit einem guten oder schlechten Ausgang? Wenn du von einem positiven Verlauf ausgehst, besitzt du einen guten Optimismus. Dabei handelt es sich um einen der kognitiven Faktoren für mehr Resilienz. Dadurch gibst du nicht so schnell auf. Du suchst nach Lösungen und bist überzeugt, Einfluss nehmen zu können. Insgesamt besitzt du eine positive Grundhaltung, die sich in einem realistischen Optimismus widerspiegelt.

Kindheitserlebnisse sind prägend

Negative Faktoren für die seelische Widerstandsfähigkeit liegen oftmals schon in der Kindheit begründet. Gewalt, Vernachlässigung oder Armut können die weitere Entwicklung eines Menschen im Erwachsenenalter beeinflussen. Die US-Psychologin Emmy Werner hat dazu in den 1950ern auf der Hawaii-Insel Kauai etwa 700 Kinder in einer Langzeitstudie über 40 Jahre lang begleitet. Etwa ein Drittel der untersuchten Kinder war negativen Faktoren ausgesetzt, wie etwa Armut, psychische Erkrankung der Eltern oder instabile Partnerschaften. Dennoch entwickelte sich ein Drittel dieser Kinder im späteren Leben erstaunlich gut. Werner beobachtete bei ihnen bestimmte Schutzmechanismen. Dabei erwiesen sich soziale Bindungen – etwa zu einer Vertrauensperson außerhalb der Familie – als besonders wichtig. Zudem hatten die Kleinen oft Charaktereigenschaften wie zum Beispiel ein ruhiges Temperament oder ein spezielles Talent, die ihnen Anerkennung brachten, oder auch die ausgeprägte Fähigkeit, auf andere zuzugehen. Diese Schutzfaktoren wirkten auch noch im Erwachsenenalter. Da resiliente Kinder schon in jungen Jahren aufgrund bestimmter Eigenschaften auffallen, vermuten Forscher, dass auch die genetische Veranlagung eine gewisse Rolle spielt. Den Beweis hierfür erbrachte der Psychologe Avshalom Caspi von der amerikanischen Duke University. Demnach ist die Länge eines bestimmten Gens, das das Glückshormon Serotonin transportiert, entscheidend für die psychische Robustheit missbrauchter Kinder. Trägt jemand die längere Variante in sich, stehen ihm mehr Botenstoffe zur Verfügung, die helfen, mit stressigen Situationen besser umzugehen. 

Soziales Umfeld spielt eine große Rolle

„Ein funktionierendes soziales Netzwerk und die damit einhergehende Unterstützung haben einen positiven Effekt auf die psychische Widerstandsfähigkeit“, so Dr. Isabella Helmreich. „Dabei muss es sich nicht zwingend um ein Familienmitglied handeln, welches als unterstützende Person auftritt.“

In der Literatur werden unterschiedliche Resilienzfaktoren beschrieben, die trainiert werden können. Hier ist zum Beispiel aktives Coping zu nennen. Beim „problemorientierten Coping“ geht es darum zu erkennen, ob man ein Problem akzeptieren muss, oder ob man es aktiv verändern kann. So macht es wenig Sinn, sich seelischem Stress auszusetzen, wenn die Lösung des bestehenden Problems nicht in den eigenen Händen liegt. Beim emotionalen Coping hingegen geht es vor allem darum, die eigene emotionale Befindlichkeit zu verbessern, indem man negative Emotionen reduziert, neue Sichtweisen auf Situationen findet und sich in positivem Denken übt. Weitere Faktoren, die positive Effekte auf die Entwicklung von Resilienz haben, sind beispielsweise:

  • kognitive Flexibilität, also die Fähigkeit, auf Veränderungen durch flexibles Denken und Handeln zu reagieren.
  • Selbstwirksamkeit und damit die Überzeugung, Anforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können.
  • Optimismus, also eine positive Zukunftserwartung.
  • Religiosität/Spiritualität, etwa durch das Angehören einer religiösen Gemeinde oder durch Spiritualität und der Beschäftigung mit den Sinnfragen des Lebens im Allgemeinen.

Die Rolle des Gehirns

Das Gehirn als „Resilienz-Organ“ rückt aufgrund der rasanten Entwicklung der Medizintechnik immer mehr in den Mittelpunkt der Forschung. Neurowissenschaftler, Mediziner und Psychologen am Deutschen Resilienz-Zentrum Mainz widmen sich seit 2014 der neurobiologischen Erforschung der Resilienz. Dies ist europaweit das erste Zentrum dieser Art. Ziel ist es, die Mechanismen der Resilienz zu entschlüsseln. Entscheidend dabei ist herauszufinden, welche Prozesse maßgeblich dafür sind, wie das Gehirn eine bestimmte Situation oder einen bestimmten Reiz bewertet.

„Wir wollen verstehen, welche Vorgänge im Gehirn Menschen dazu befähigen, sich gegen die schädlichen Auswirkungen von Stress zu schützen, und wie diese Resilienzfaktoren gezielt trainiert und langfristig verstärkt werden können“

Professor Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz

Dazu haben die Forscher inzwischen mehrere Langzeitstudien gestartet. 200 junge Erwachsene werden beispielsweise in dem Mainzer Resilienz z. B. Projekt (MARP) über mehrere Jahre begleitet. Dabei werden Stressfaktoren und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit erfasst. Die Wissenschaftler wollen so Eigenschaften des Gehirns und geistige Fähigkeiten identifizieren, die wichtige Schutzmechanismen darstellen. Diese Erkenntnisse können dazu beitragen, die Vorbeugung und Behandlung von Gehirnerkrankungen zu verbessern.

Lassen sich kognitive Resilienzfaktoren trainieren?

Gehörst du zu denjenigen, die noch nicht über besonders ausgeprägte kognitive Resilienzfaktoren verfügen? Dann stellst du dir bestimmt die Frage, ob man diese trainieren kann. Ja, man kann. Zum Beispiel mithilfe von Coachings. Experten helfen dir dabei, verfestigte Denkmuster aufzubrechen und deine Resilienz zu stärken. Darüber hinaus kann es auch hilfreich sein, sich intensiv mit dem eigenen Resilienzverhalten auseinanderzusetzen. Ein paar analytische Fähigkeiten vorausgesetzt gelingt es dir so, eigene Schwachstellen in Bezug auf deine Resilienz aufzudecken und sie abzustellen. Denn ein bewussterer Umgang mit dem Thema Resilienz ist bereits der erste Schritt zu einem Leben mit weniger Stress und mehr Widerstandskraft.

Coaching-Angebote genau unter die Lupe nehmen

Resilienz kann man als Erwachsener zu einem gewissen Grad auch „erlernen“. Schon seit einiger Zeit hat nicht nur die Anzahl populärwissenschaftlicher Bücher zu diesem Thema zugenommen, sondern auch das Angebot an Coaching-Seminaren, in denen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in einem Crashkurs zu mehr persönlicher Resilienz verholfen werden soll. Dr. Isabella Helmreich sieht die Angebotsfülle kritisch. „Prinzipiell spricht nichts gegen das Angebot an Resilienz-Seminaren. Allerdings sollte man sich genau anschauen, wer und was genau sich hinter dem Angebot verbirgt. Es sollte schon darauf geachtet werden, dass die Seminarleiterin oder der Leiter über einen entsprechend fachlichen Hintergrund, zum Beispiel einen medizinischen oder psychologischen, verfügt und die Inhalte sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.“ Ebenfalls kritisch sieht sie zudem den Trend unter Arbeitgebern, die eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nur auf Seminare zu schicken, um sie gegenüber Stress widerstandsfähiger zu machen. Ziel der Resilienz-Forschung sei nicht die Optimierung von Angestellten zu stressresistenten Robotern, sondern neben der individuellen Stärkung der Resilienz und Selbstfürsorge, gehe es auch um die Verhältnisprävention, also die zur Verfügungstellung guter Arbeits-, Lern- und Lebensumfelder.

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Wege zu einer starken psychischen Abwehr

Ob angeboren oder erlernt – eine starke Resilienz hilft Menschen, persönliche Lebenskrisen besser zu meistern, ohne langfristig in der Folge unter psychischen Erkrankungen zu leiden. Die eigenen seelischen Abwehrkräfte zu stärken, kann im Alltag gelingen, wenn einige Grundregeln beachtet werden.

Dr. Isabella Helmreich dazu: „Wenn es zu einer Lebenskrise kommt, kann es schon helfen, nicht nur den Blick auf das Negative zu fokussieren, also einen Tunnelblick zu haben, sondern den Fokus wieder zu erweitern und sich auch über die kleinen Dinge zu freuen beziehungsweise zu sehen, die es ja trotz allem gibt. Dadurch findet man oft neue Lösungen. Ein starkes soziales Netzwerk ist zusätzlich wichtig und gibt Halt. Dazu gehört auch, nicht nur Hilfe anzunehmen, sondern auch anderen zu helfen und zuhören zu können. Das stärkt die Selbstwirksamkeit und den Selbstwert. Eine Portion Optimismus und natürlich aktives Coping sowie die Akzeptanz von negativen Ereignissen als Teil des Lebens gehören ebenfalls dazu.“ Die Expertin betont aber auch, dass es dabei nicht zu einer Verpflichtung zur Gesundheit werden soll, an deren Ende die Optimierung des Menschen steht. Vielmehr ist ein ganzheitlicher, gesellschaftlicher Ansatz geordert, was die Bedeutung der sozialen Komponente auf dem Weg zur Resilienz unterstreicht. Dr. Isabella Helmreich gibt Eltern allerdings noch einen besonderen Rat mit auf den Weg: „Ein gut behütetes Umfeld ist zwar wichtig, allerdings sollte man Kindern die Möglichkeit geben, auch mal zu scheitern. Denn wer als Kind nicht lernt, mit Rückschlägen umzugehen, wird als Erwachsener eher Probleme damit haben, einen guten Weg aus einer Krise zu finden.“

Zur Person

Dr. Isabella Helmreich ist Leiterin des Bereichs „Resilienz und Gesellschaft“ am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR; www.lir-mainz.de) in Mainz und psychologische Psychotherapeutin. Sie hat zum Thema Resilienz zahlreiche Fachbeiträge und Bücher veröffentlicht.

Resilienz kann jeder lernen

Auch wenn noch viele Fragen ungeklärt sind: Schon jetzt scheint sicher, dass Resilienz eine Fähigkeit ist, die jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt seines Lebens aufbauen und trainieren kann – unabhängig von seiner genetischen Veranlagung. Oder anders gesagt: Auch diejenigen, die nicht von Natur aus diese Eigenschaften aufweisen, können lernen, mit Schwierigkeiten im Leben besser umzugehen. Wichtig sind psychologische Faktoren wie positives Denken und die Fähigkeit, flexibel auf belastende Lebensereignisse zu reagieren. „Es macht einen großen Unterschied, ob ich mit meinem Schicksal hadere und mich als hilfloses Opfer sehe oder ob ich die Situation akzeptieren und mich auf ihre Lösung konzentrieren kann“, sagt die Bestsellerautorin („Resilienz – das Geheimnis innerer Stärke“) und Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. med. Mirriam Prieß. Das bedeutet: Resiliente Menschen fliehen nicht vor einem Unglück beziehungsweise kämpfen nicht dagegen, sondern nehmen es an. Indem sie sich der Realität stellen, können sie besser mit ihrer Situation umgehen, ist sich die Expertin sicher. Dementsprechend seien resiliente Menschen auch keine Superhelden, die alles an sich abprallen lassen. „Wirkliche Stärke bedeutet, in der Lage zu sein, seinem Leben in seinen Höhen und Tiefen auf Augenhöhe zu begegnen. Denn nur dann kann man einer Situation ein Gegenüber bieten und ihr adäquat begegnen.“

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