In den Wechseljahren stellt die Umstellung der Hormone für viele Frauen eine Herausforderung dar, die ihren Alltag beeinflusst. Die hkk hat Daten ausgewertet und eine forsa-Umfrage zu dem Thema beauftragt. In diesem Rahmen wurde die Expertin Prof. Dr. Petra Stute zu den Ergebnissen der Studie: „Gesundheit, Beruf, Familie: Wie erleben Frauen die Wechseljahre?“ im Auftrag der hkk Krankenkasse befragt.
Die Altersgruppe der 45- bis 54-jährigen Frauen sowie diejenigen, die sich in der Perimenopause befinden, äußern am häufigsten, dass sie aktuell oder in den vergangenen vier Wochen von Beschwerden betroffen sind oder waren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Wechseljahre zurückzuführen sind. Dabei äußern 43 Prozent der 45- bis 54-jährigen Frauen, dass sie mit der Beratung durch ihren Gynäkologen bzw. ihre Gynäkologin nicht oder nur teilweise zufrieden sind. Dies wirft die Frage auf, ob die möglichen unspezifischen Symptome durch die Hormonschwankungen in der Prä- und Perimenopause nicht ausreichend erkannt werden.
Frau Prof. Dr. Stute, wie bewerten Sie das Ergebnis?
Symptome in der Perimenopause können in der Tat sehr verschieden und variierend in der Häufigkeit und Intensität sein. In dieser Lebensphase erleben viele Frauen außerdem weitere Stressoren wie z. B. in Berufsleben, Partnerschaft, Eltern- und Kinderbetreuung, sodass der Zusammenhang mit den Wechseljahren für viele nicht so offensichtlich erscheint bzw. erst in der Retrospektive. Der Besuch beim Gynäkologen/bei der Gynäkologin findet im Allgemeinen nicht ad hoc, sondern z. B. in einer jährlichen Untersuchung statt. Während der sogenannten Jahreskontrolle stehen häufig auch andere Themen im Vordergrund (z. B. die verschiedenen Vorsorgeuntersuchungen), sodass aus Zeitgründen möglicherweise nicht immer auf die verschiedenen Facetten der Wechseljahresbeschwerden eingegangen werden kann. Man kann aus den genannten, als widersprüchlich erscheinenden Ergebnissen nicht automatisch schließen, dass Frauenärzte und Frauenärztinnen nicht ausreichend über die Wechseljahre informiert sind, sondern das es möglicherweise auch schlichtweg ein Zeitproblem ist, die verschiedenen Themen (Vorsorgeuntersuchung, Verhütung, Wechseljahresbeschwerden etc.) in einer zehn Minuten Konsultation adäquat zu adressieren.
Mit fortschreitenden Wechseljahren gewinnt die Frage an Bedeutung, inwiefern eine Hormonersatztherapie (HRT) angezeigt ist. Wann kommt Ihrer Einschätzung nach eine Hormonersatztherapie optimalerweise zum Einsatz? Und gibt es belastbare Studien, die den Vorteil von bioidentischen Hormonen gegenüber synthetisch hergestellten belegen?
Die Hormonersatztherapie (HRT) gilt international als Therapie der ersten Wahl bei Wechseljahresbeschwerden. Dennoch wird sie häufig nicht als solche eingesetzt. In der Praxis wird eine Hormonersatztherapie häufig dann eingesetzt, wenn die Patientin einen entsprechenden Leidensdruck durch Ihre Symptomatik aufweist und keine Kontraindikation gegenüber einer Hormonersatztherapie vorhanden ist. Bei Frauen, die vor dem 45. Lebensjahr die Menopause (letzte spontane Regelblutung im Leben einer Frau ohne andere Ursache hierfür) erleben, ist eine Hormonersatztherapie nicht nur zur Reduktion von Wechseljahresbeschwerden indiziert, sondern auch zur Prävention von sogenannten chronischen, nicht übertragbare Erkrankungen wie Osteoporose, Diabetes mellitus, Herzkreislauferkrankungen, Demenz. Viele Frauen, die sich für eine Hormonersatztherapie entscheiden, haben in der Vergangenheit bereits andere Therapieversuche unternommen, welche nicht zu einem subjektiv ausreichenden Ergebnis geführt haben.
Bioidentische Hormone
Der Begriff „Bioidentisch“ bedeutet, dass das Hormon, das eine Frau nimmt, die gleiche chemische Strukturformen aufweist wie in diesem Fall das Eierstockhormon (Estradiol, Progesteron, Testosteron). Der Begriff „Bioidentisch“ sagt nichts darüber aus, wie das Hormon appliziert wird (Tablette, Gel, Spray, Pflaster). Alle Hormone, auch die synthetischen, werden vorwiegend aus Jams hergestellt.
Bisherige Studien zu Bioidentischen Hormonen (Estradiol + Progesteron) haben gezeigt, dass diese im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und das Brustkrebsrisiko sicherer erscheinen als synthetische Kombinationen. Für das Herzkreislauf-Erkrankungsrisiko ist jedoch vor allem entscheidend, wie das Östrogen angewandt wird. So erhöht die Gabe von Östrogenen über die Haut (Gel, Spray, Pflaster) nicht zusätzlich das z. B. Thromboserisiko. Im Hinblick auf das Brustkrebsrisiko ist die Art der Anwendung (oral, transdermal) einer Hormonersatztherapie nebensächlich. Hier weiß man, dass eine reine Östrogentherapie (die jedoch nur nach Entfernung der Gebärmutter verabreicht werden kann) das Brustkrebsrisiko eher senkt. Die Kombination von Östrogen und einem Gestagen erhöht das Risiko für Brustkrebs in Abhängigkeit von der Therapiedauer leicht (drei zusätzliche Brustkrebsfälle pro 1.000 Frauen zwischen 50 und 59 Jahren, die über fünf Jahre eine Kombination aus Östrogen und Gestagen anwenden). Es gibt eine Studie aus Frankreich, die zeigt, dass die Gabe von bioidentischen Hormonen (Östradiol + Progesteron) das Brustkrebsrisiko etwas später ansteigen lässt. Man kann also sagen, dass die Gabe von Bioidentischen Hormonen (Östradiol und Progesteron) etwas Herzkreislauf und brustfreundlicher ist als die Kombination eines Östrogens und einem künstlichen Gestagen.
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Die Fehlinterpretation der Studiendaten der WHI-Studie hat dazu geführt, dass zahlreiche Frauen eine Verunsicherung erfuhren, welche sich in einer deutlich reduzierten Inanspruchnahme von Hormonersatztherapien manifestiert. In unserer Studie zeigt sich eine Prävalenz von rund 18 Prozent.
Würden Sie in Anbetracht dessen von einer medizinischen Unterversorgung sprechen?
Ja, man kann durchaus von einer medizinischen Unterversorgung sprechen, die jedoch auf viele verschiedene Gründe zurückzuführen ist. Im Vordergrund steht nach wie vor die Angst vor Brustkrebs. Daher ist die Aufklärung über das Brustkrebsrisiko unter einer HRT ein wesentliches Element der Beratung über die verschiedenen Hormone.
Fezolinetant stellt den ersten hormonfreien Wirkstoff gegen Hitzewallungen in Deutschland dar, welcher für Frauen geeignet ist, die aus gesundheitlichen Gründen keine Hormonersatztherapie erhalten können. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Verordnung gemacht?
In der Schweiz ist Fezolinetant seit Januar 2024 erhältlich. Meine bisherige Erfahrung ist gut. Es ist jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass Fezolinetant gezielt gegen Hitzewallungen gerichtet ist und nicht sonstige Wechseljahresbeschwerden adressiert.
Die Studie zeigt, dass sich jede dritte Frau in den Wechseljahren gestresster fühlt und den Eindruck hat, sich weniger gut konzentrieren zu können (auch als „Brain Fog“ bezeichnet). Lässt sich eine medizinische Erklärung hierfür finden?
In der Tat berichten etwa 40 bis 60 Prozent der Frauen in der Perimenopause über einen sogenannten Brain Fog. Hierunter versteht man Symptome wie Wortfindungsstörungen, Vergesslichkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. Würde man diese Frauen neuropsychologisch testen, würden die meisten Frauen völlig normal abschneiden. Frauen, die andere Risikofaktoren für z. B. Konzentrationsschwierigkeiten haben (Schlafstörung, Depression, bestimmte Medikamente, Schilddrüsenfunktionsstörung etc.) sind wahrscheinlich eher betroffen. Hier ist es wichtig, die verschiedenen Ursachen von Brain Fog abzuklären und nicht alles automatisch auf die Wechseljahre zu schieben.
Neben den genannten Risikofaktoren für Brain Fog (z. B. Schlafstörung, Depression) haben Hormone auch einen Einfluss auf die Hirnbotenstoffe. Somit kann eine Veränderung der Sexualhormone auch zu einer Veränderung der Hirnbotenstoffe führen, was wiederum mit einer Brain Fog Symptomatik assoziiert sein kann. Hitzewallungen beispielsweise können ad hoc zu einer Brain Fog Symptomatik beitragen, sodass die Behandlung von Hitzewallungen, Schlafstörungen, Depression auch eine Reduktion der Brain Fog Symptomatik mit sich bringen kann. Offiziell ist eine Hormonersatztherapie nur zur Behandlung von kognitiven Symptomen nicht indiziert. Allerdings haben die meisten Frauen in den Wechseljahren verschiedene Wechseljahresbeschwerden, zu denen auch Brain Fog gehört, sodass dann eine HRT indiziert ist. Und viele Frauen berichten mit einer HRT dann auch über einen Rückgang der Brain Fog Symptomatik.
Prof. Dr. Stute, vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Prof. Dr. Petra Stute ist stellvertretende Chefärztin und leitende Ärztin der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Frauenklinik Inselspital Bern (Schweiz) und Past Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin (SGEM) und Vorstandsmitglied der Europäischen Gesellschaft für Menopause und Andropause (EMAS).
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