Prämenstruelles Syndrom: Das allmonatliche Leiden

Schon morgens ist die Stimmung getrübt, im Laufe des Tages stellen sich Kopf- und Rückenschmerzen ein. Was sonst mit Leichtigkeit geschafft wird, erscheint mühsam und anstrengend. Manche Frauen, die unter dem Prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden, fühlen Traurigkeit, andere sind gereizt und wütend. Bei wieder anderen kommt es zu Angstzuständen.

Qualitätssicherung: Philipp Grätzel von Grätz, Arzt und Medizinjournalist

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Was ist PMS?

All das können typische Symptome von PMS sein – des Prämenstruellen Syndroms (ICD-Code N94.3). Der Begriff umfasst eine Reihe von körperlichen und psychischen Symptomen in der zweiten Zyklushälfte. PMS tritt meist ein paar Tage vor Beginn der Regelblutung auf und endet wenige Stunden nachdem die Periode eingesetzt hat. Manche Frauen haben allerdings über die gesamte zweite Zyklushälfte hinweg PMS-Beschwerden. Neben der Psyche wirkt sich PMS auch auf den Körper aus. Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden, Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen – die Liste ist lang.

Wie viele Frauen im gebärfähigen Alter von PMS betroffen sind, darüber gehen die Schätzungen auseinander. Es sollen zwischen 20 und 50 Prozent sein.

Während manche Frauen nur leichte Beschwerden bemerken, sind andere von stärkeren Symptomen betroffen. Und drei bis acht Prozent der Frauen mit PMS leiden an einer besonders schweren Form des Prämenstruellen Syndroms – der sogenannten Prämenstruellen Dysphorischen Störung (PMDS).

Körperliche Symptome  Psychische Symptome 
Heißhunger Niedergeschlagenheit, Traurigkeit
Gewichtszunahme Angstzustände
Wassereinlagerungen Müdigkeit, Erschöpfung
Schmerzende Brüste Sensibilität
Hautunreinheiten Innere Anspannung, Unruhe
Bauchschmerzen Reizbarkeit, Wut
Verdauungsprobleme Konzentrationsschwierigkeiten
Muskel- und Gelenkschmerzen  
Kopfschmerzen  
Rückenschmerzen  
Unterleibsschmerzen  
Schlafstörungen  

Wie entsteht PMS?

Was genau während des Zyklus im Körper geschieht, und wie dadurch PMS entsteht, erklärt Professor Dr. med. Kai J. Bühling vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in seiner Hormonsprechstunde.

Je nach Zyklusphase unterscheidet sich der Anteil an Östrogen oder Progesteron im Körper.

Den Ablauf kennen viele noch aus dem Biologieunterricht: Zu Beginn des Zyklus wird ein Follikel – auch Eibläschen genannt – „rekrutiert“. Das etwa zwei Zentimeter große Bläschen kann man im Ultraschall gut erkennen, sagt Professor Bühling. Sein Inneres jedoch nicht. Das Bläschen enthält eine Eizelle. Und es bildet Hormone. In der ersten Zyklushälfte bildet es Estradiol, ein Östrogen. Im Laufe der Tage steigt der Spiegel dieses Hormons immer weiter an, bis es zum Eisprung kommt. Dann fällt der Spiegel des Östrogens kurzzeitig ab, auf etwa zwei Drittel seines normalen Werts. In diesem Moment bekommt das Östrogen Gesellschaft von einem neuen Hormon: Progesteron. Und mit diesem Hormon beginnen für Frauen, die unter PMS leiden, die unangenehmen Symptome.

Progesteron wird vom Gelbkörper gebildet. So bezeichnet man den Überrest des Eibläschens, der tatsächlich gelb ist. Wenn es zum Eisprung kommt, platzt das Eibläschen und gibt das Ei frei. Während das Ei das Ende des Eileiters sucht, um hineinzuwandern, beginnt der Gelbkörper mit der Hormonproduktion. Etwa 14 Tage lang schüttet er kräftig Progesteron aus. Dann fällt er irgendwann in sich zusammen und das Progesteron sinkt ab, wodurch die Monatsblutung ausgelöst wird. Und schon beginnt der nächste Zyklus, das ganze Spiel geht von vorne los.

Warum haben manche Frauen PMS und andere nicht?

Doch wie kommt es, dass die einen Frauen mit dem Prämenstruellen Syndrom zu kämpfen haben, mitunter sogar heftig, die anderen aber nicht? Das weiß man nicht so genau, sagt Professor Bühling. Die in der Medizin gängige Erklärung: Manche Frauen scheinen einfach sensibler auf Progesteron zu reagieren als andere.

Dabei hat die Reaktion des Körpers allerdings nichts mit der Menge an Progesteron, die im Blut ist, zu tun. Zwar wird der Progesteronspiegel im Blut oder auch im Speichel häufig gemessen, wenn ein Verdacht auf PMS besteht. Solche Tests bringen einen aber nicht wirklich weiter, sagt Professor Bühling. Denn es gibt keinen bestimmten Wert, ab dem ein Arzt sagen könnte: Diese Menge Progesteron ist zu viel oder zu wenig.

Was bringen Hormontests?

Dennoch werden im Internet sogenannte „Hormonspeicheltests“ als Test-Kit für zuhause angeboten. Mit ihnen können Frauen ganz einfach Progesteron und Östradiol im Speichel messen, um dadurch einen Progesteronmangel oder eine Östrogendominanz feststellen zu können – also ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt. Zielgruppe der Tests sind Frauen, die ihr PMS, ihre Zyklusbeschwerden oder die Periodenprobleme besser einordnen und natürlich auch gerne loswerden wollen. Die Tests sind teuer, bieten aber keinen medizinischen Effekt, sagt Professor Bühling. Das Geld könne man sich sparen.

Besser ist eine Blutabnahme – auch wenn das für die Diagnose des PMS nicht erforderlich ist. „Ich untersuche Vitamin D, Vitamin B12 und die Schilddrüsenfunktion. Denn auch ein Vitamin-B-Mangel kann zu Depressionen oder Herzrhythmusstörungen führen.“

Wie wird PMS diagnostiziert?

Die Diagnose Prämenstruelles Syndrom wird ausschließlich anhand der Anamnese gestellt, sagt auch Frauenärztin Dr. Carmen Caspari aus Kassel. Erlebt die Patientin in der zweiten Zyklushälfte die typischen Symptome? Dann ist die Lage oft klar. Die Betonung liegt hier allerdings auf „zweite Zyklushälfte“. Denn wenn die Beschwerden über den ganzen Monat hinweg andauern, kann auch etwas anderes dahinterstecken. Zum Beispiel eine Depression oder die Wechseljahre.

Wenn klar ist, dass es sich um PMS handelt, ist die nächste wichtige Frage: Liegt überhaupt ein Leidensdruck vor? Davon hängt ab, ob das PMS behandlungsbedürftig ist. Dr. Caspari erlebt Patientinnen, die zwar deutliche Symptome verspüren, sich aber nicht sehr daran stören. „Es gibt Patientinnen sie sagen: Ich habe in der zweiten Zyklushälfte häufig einen wahnsinnigen Blähbauch, aber dann mache ich halt den oberen Knopf der Hose auf. Das ist kein Problem für mich.“ Für andere ist es das jedoch schon – der Leidensdruck ist oft subjektiv. Anders ist es, wenn die Symptome sehr stark sind.

Was ist das Prämenstruelle Dysphorische Syndrom?

Bei einigen Frauen sind die Beschwerden so schlimm, dass man von PMDS spricht: dem Prämenstruellen Dysphorischen Syndrom. Als Dysphorie wird eine Störung des emotionalen Erlebens bezeichnet, die sich durch eine ängstlich-bedrückte, traurig-gereizte Stimmung äußert.

Während bei PMS auch Gereiztheit und Wut auftreten, ist die Stimmung bei PMDS vor allem gedrückt. Es kann sogar zu Depressionen in der zweiten Zyklusphase kommen.

„Das sind schwere Symptome“

Prof. Dr. med. Kai J. Bühling, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

„Die Patientinnen können arbeitsunfähig sein, weil sie sich nicht konzentrieren können oder Depressionen haben. Manche haben wegen des PMDS auch Beziehungsprobleme.“ Die starken Stimmungsschwankungen erschweren oft das Miteinander in Partnerschaft und Familie. Viele Frauen sagen, sie würden sich selbst gar nicht wiedererkennen. In ihrer Not kommen sie zu Dr. Bühling in die Hormonsprechstunde.

Auch in die Praxis von Dr. Caspari kommen Frauen, die unter PMDS leiden. Einige beklagen, ihr Verhalten in der zweiten Zyklushälfte nicht unter Kontrolle zu haben. Sie fühlen sich regelrecht fremdgesteuert. „Die Affektabilität, Wut und Reizbarkeit können so gravierend sind, dass bei diesen Frauen eine regelrechte Persönlichkeitsveränderung auftritt. Sie kommen dann zu mir und sagen: Mit dem Eisprung bin ich wie ausgewechselt, wir müssen etwas tun.“

Unter den extremen Stimmungsschwankungen leidet das gesamte Umfeld: Neben der Partnerschaft, den Kindern und den Freundschaften kann sich PMDS auch auf den Job auswirken. „Die Frauen können das nicht steuern und damit auch im Beruf etwas kaputt machen, weil sie zum Beispiel unkontrollierte Wutausbrüche haben,“ beschreibt Dr. Caspari die Erfahrungen ihrer Patientinnen. Wenn das der Fall ist, ist es höchste Zeit, etwas zu tun.

Behandlung: Was kann man gegen PMS tun?

Es gibt unterschiedliche Wege, PMS zu behandeln. Eine Möglichkeit ist die Behandlung mit hormonellen Verhütungsmitteln. Diese greifen in den Monatszyklus ein und wirken gegen Hormonschwankungen, indem sie den Eisprung unterdrücken. Prof. Bühling greift dabei auf die so genannte „Minipille“ zurück, die Gestagene enthält. Bei diesen Minipillen ist die Gefahr einer Thrombose oder eines Schlaganfalls sehr niedrig, auch noch geringer als bei den so genannten Kombi-Präparaten aus Östrogenen und Gestagenen. Das Risiko für Brustkrebs steigt allerdings ein wenig an – wenn auch nur sehr gering und auch nur, wenn das Gestagen länger als fünf Jahre angewendet wird, so Prof. Bühling. Deshalb ist eine weniger lange Einnahmedauer empfehlenswert.

Die Anwendung der Pille bei PMS-Beschwerden ist ein sogenannter Off-Label-Use. Denn als Medikament zur Linderung des Prämenstruellen Syndroms ist sie nicht zugelassen. Darüber muss der Arzt aufklären. Von den gesetzlichen Krankenkassen kann sie daher nicht erstattet werden, Patientinnen müssen die Kosten selbst tragen.

Manche Ärzte versuchen, PMS mit dem Unheilstifter selbst, dem Hormon Progesteron, zu bekämpfen. Die Annahme, die dahintersteckt: Im Körper sei zu wenig davon vorhanden. Diese Therapie funktioniere fast nie, sagt Professor Bühling. Manche Ärzte verschreiben Frauen mit PMS oder PMDS-Antidepressiva. Auch hiervon hält Professor Bühling wenig, weil dadurch nicht das Problem behandelt wird.

Alternative Behandlungsmöglichkeiten für PMS

Dr. Caspari greift auch auf naturheilkundliche Behandlungsmethoden zurück. Zum Beispiel auf Mönchspfeffer, der rezeptfrei erhältlich ist. Seine Wirkung ist wissenschaftlich zwar nicht nachgewiesen, doch viele Frauen haben damit Erfolg, berichtet Dr. Caspari.

Eine weitere Empfehlung der Ärztin ist Sport. Der hilft immer, sagt Dr. Caspari, und auch eine gute Schlafhygiene kann förderlich sein, wenn Frauen unter PMS leiden. Zu letzterer gehören nicht nur ein dunkles, kühles Schlafzimmer, sondern auch die immer gleichen Prozeduren vor dem Schlafengehen und mindestens sieben bis acht Stunden Schlaf.

Somit gibt es gute Alternativen zu hormonellen Präparaten. Diese möchten viele Frauen, die zu Dr. Caspari kommen, nur ungern einnehmen. „Manche Frauen haben eine große Angst davor, dass wir die Pille aufschreiben. Sie wollen nicht auf die Pilleneinnahme reduziert werden und gehen daher häufig gar nicht erst zum Gynäkologen.“

Für viele Frauen führt daher der erste Weg oft nicht zum Gynäkologen, sondern ins Internet, berichtet Dr. Caspari. Häufig informieren Patientinnen sich bei Influencern auf Social Media.

Doch wenn extreme Stimmungsschwankungen auftreten, ist eine professionelle Behandlung und die Beratung durch einen Gynäkologen sinnvoll. Ist der Leidensdruck hoch, rät Dr. Caspari den betroffenen Frauen immer, einen Arzt aufzusuchen.

So hilft das Zyklustagebuch bei PMS

Dr. Caspari führt mit ihren Patientinnen zunächst ein Gespräch, um die Therapie festzulegen. „Sprechen ist wichtig, damit die Patientin einordnen kann, was in ihrem Körper passiert. Und dann muss man fragen, welche Art von Behandlung sie will.“

Am Anfang jeder Behandlung steht das Zyklustagebuch, das mindestens zwei bis drei Monate geführt werden sollte. An sich eine einfache Aufgabe, die allerdings einen großen Effekt hat. Denn damit können Ärztin und Patientin genau sehen, ob die Beschwerden wirklich ausschließlich in der Lutealphase, also in der zweiten Zyklushälfte, auftreten, und welche Symptome damit verbunden sind.

Ein Zyklustagebuch kann man leicht selbst anlegen, es gibt aber auch viele Vorlagen zum Ausdrucken im Internet.

Im Wesentlichen handelt es sich um eine Tabelle, in der jeder Kalendertag eine Spalte bekommt. Auf der linken Seite der Tabelle trägt man in die Zeilen untereinander Symptome ein, die man an sich bemerkt – zum Beispiel Kopfschmerzen, Traurigkeit, oder Rückenschmerzen. Diese Symptome ergänzt man den ganzen Monat über, wenn weitere hinzukommen. 

In der Spalte für den jeweiligen Kalendertag kann man dann mit einem kleinen Kreis vermerken, ob ein Symptom aufgetreten ist. Wenn das Symptom stärker war, macht man einen größeren Kreis. Die Tage der Regelblutung werden in einer Extra-Zeile mit einem Strich markiert, der vom ersten Tag der Blutung bis zum letzten Tag gezogen wird. Nach zwei oder drei Monaten können Patientin und Arzt so bereits einen guten Überblick erhalten, ob PMS vorliegt.

Ein Zyklustagebuch können Frauen auch digital führen. Es gibt Apps fürs Smartphone, in denen allerlei Angaben zum körperlichen und seelischen Befinden ganz einfach angeklickt werden können. Von der Stimmung über das Energielevel, bis hin zu körperlichen Beschwerden: Durch die Apps entsteht ein guter Überblick, den man auf dem Handy immer dabeihat. Auch eine Warnfunktion ist möglich: Die App teilt dann mit, dass in wenigen Tagen PMS auftreten könnte. Schon allein dieser kleine Hinweis kann einen enormen Unterschied bringen. Denn er hilft, die eigene Gefühlslage einzuordnen. Reagiere ich gerade so emotional, weil ich PMS habe?

Wenn auf Basis des Zyklustagebuchs klar wird, dass es sich um PMS handelt, kann die Behandlung besprochen werden. In einigen Fällen ist auch eine Verhaltenstherapie beim Psychotherapeuten sinnvoll.

Darstellung zu Auswirkungen von PMS : Sozial, Psycho, Bio

Welche weiteren Einflüsse begünstigen PMS und PMDS?

Wissenschaftlern zufolge gibt es weitere Faktoren, die PMS oder PMDS begünstigen können. Das biopsychosoziale Entstehungsmodell der PMDS besagt, dass auch soziale, biologische und psychologische Voraussetzungen in ihrem Zusammenspiel das Prämenstruelle Syndrom begünstigen können.

Auf der sozialen Ebene bedeutet dies: Die Lebensverhältnisse, wie zum Beispiel Familie, Wohnsituation und Beruf, haben einen Einfluss. Auf psychologischer Ebene spielt die Resilienz-Fähigkeit bei psychischen Belastungen eine Rolle. Es gibt aber auch biologische Voraussetzungen wie die Genetik: Frauen, die schon in ihrer Jugend unter depressiven Verstimmungen gelitten haben, sind eher von PMS betroffen als Frauen, bei denen dies nicht der Fall war. Bei Frauen mit Müttern, die Depressionen haben oder hatten, ist die Wahrscheinlichkeit für PMS ebenfalls erhöht.

Ausgehend vom biopsychosoziale Entstehungsmodell lohnt es sich für Betroffene also, einen Blick darauf zu werfen, wie es um all diese Faktoren im eigenen Leben bestellt ist. Lassen sich Veränderungen herbeiführen, um das Wohlbefinden dauerhaft zu verbessen? Entscheidend ist: Frauen müssen die Symptome von PMS nicht einfach hinnehmen. Es gibt vielfältige Wege, um die Beschwerden zu lindern.

Quellen

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