Hier etwas Botox, dort ein wenig Hyaluronsäure, dazu eine kleinere Nase und weniger Fett am Bauch: Immer mehr Personen lassen sich von vermeintlichen Schönheitsidealen beeindrucken und buchen sorglos den Termin beim nächsten Beauty-Doc. Dr. Alexander Hilpert, Facharzt und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC), klärt über die Tücken und Risiken auf.
Gibt es einen Unterschied zwischen einem Schönheitschirurgen und einem Facharzt für Ästhetisch-Plastische Chirurgie?
Der Begriff Schönheitschirurg ist nicht geschützt. Es kursieren auch Begriffe wie kosmetischer Chirurg oder ästhetischer Chirurg. Jeder Arzt kann sich so benennen, und zwar unabhängig von seiner Qualifikation. Um einen Titel als Facharzt zu erlangen, bedarf es einer umfassenden und langjährigen Zusatzausbildung. Die des Facharztes für plastische und ästhetische Chirurgie dauert mindestens sechs Jahre. Sie umfasst die Bereiche rekonstruktive und ästhetische Chirurgie, Handchirurgie und Verbrennungsmedizin. So gehören für diese Fachärzte während ihrer Ausbildung in Krankenhäusern die Wiederherstellung von Gesichtern bei Unfallopfern oder nach Hautkrebs sowie beispielsweise der Aufbau einer weiblichen Brust nach Krebsoperationen zum Alltag. Wir Fachärzte haben also einen breit gefächerten Erfahrungsschatz und können Situationen gut einschätzen. Schönheitschirurgie bedingt keine Ausbildung und das ist die Gefahr darin. Da lässt es sich nicht unterscheiden, ob diese Person nur einen Kurs für Botox in Holland oder irgendwelche Tierchirurgie-Kurse gemacht hat. In jedem Fall gibt es keine fundierte Facharztausbildung.
Wie hoch ist das Risiko, wenn man nicht zu einem Facharzt geht?
Alles kann schiefgehen. Bei einem Facharzt werden die Patient:innen genau aufgeklärt. Dafür gibt es festgelegte Standard-Formulare, welche die Risiken bei Eingriffen erläutern. Grundsätzlich kann bei jeder Operation etwas schiefgehen. Aber je öfter ein Operateur diesen einen Eingriff durchgeführt hat, umso größer ist seine Erfahrung. Je besser seine Ausbildung ist, umso geringer sind die Risiken. Außerdem kann ein erfahrener Chirurg und Facharzt bei Komplikationen deutlich kompetenter reagieren und die Situation lösen. Bei Ärzten, die diese Ausbildung nicht haben, können die Komplikationen tragische Folgen haben. Das Schlimmste ist, wenn es durch unsachgemäße Behandlungen zu Infektionen oder zu Blutungen kommt. Es gab schon Fälle, in denen Internisten eine Po-Vergrößerung mit Eigenfett gemacht haben und die Patienten sind verblutet oder an einer Thrombose gestorben. Man sollte das ernst nehmen. Es handelt sich um Eingriffe am menschlichen Körper und der ist verletzlich.
Wie gehen Sie mit Anfragen um, in denen eine Frau aussehen will wie Kleopatra oder eine 18-Jährige wie eine berühmte Influencerin?
Wir sind in erster Linie Ärzte und müssen diesem Anspruch gerecht werden. Als Arzt muss ich die Fragen stellen: Ist das Ansinnen notwendig gerechtfertigt? Ist das überhaupt medizinisch durchführbar? Im Idealfall rät ein Facharzt von solchen Vorhaben ab und begründet das verständlich. Insgesamt ist die heutige Orientierung an Influencern kritisch zu bewerten. Deren Fotos und Videos sind ja nicht realistisch, sondern meist stark bearbeitet. Die Perfektion dabei fällt immer leichter. Gleichzeitig werden wir täglich mit optischen Reizen überflutet und es entstehen falsche Ideale. Ich denke, dass man bei jungen Menschen keine Beauty-Eingriffe machen sollte. Als Präsident der DGÄPC setze ich mich stark für die Kennzeichnungspflicht von digital veränderten Bildern auf Social Media und im Internet ein. In anderen Ländern wie zum Beispiel England, Israel, Österreich oder Norwegen ist das bereits die Norm. Es wäre schön, wenn wir das in Deutschland ebenfalls durchsetzen könnten. So würden junge Leute gleich verstehen, dass es sich um Fake und nicht um die Realität handelt.
Lassen sich Gegentrends beobachten?
Viel besser finde ich den neueren Trend der „Face und Body Positivity“. Hier werden in einzelnen Werbungen natürliche Körper und Personen gezeigt, die ganz unterschiedlich aussehen und eben nicht perfekt sind. Es gibt heute Models mit Hauterkrankungen oder anderen vermeintlichen Makeln. Das ist doch super. Ich denke, dass der Trend zu mehr Natürlichkeit gehen wird. Das sieht man jetzt zum Beispiel daran, dass manche Stars sich wieder zurück operieren lassen und diese comicartigen Figuren reduziert werden.
In Großstädten gibt es an jeder Ecke Botox-To-Go oder die Spritze mit Hyaluronsäure in der Mittagspause. Was halten Sie davon?
Beim Botox ist es so, dass es relativ wenig Komplikationen gibt, weil die Dosierung sehr niedrig ist. Aber Botox ist ein Nervengift, das Muskeln lähmt und man kann die falschen Muskeln treffen. Dies geschieht leicht, wenn die behandelnde Person die Anatomie des Gesichtes nicht genau kennt. Das führt zu einer entstellten Mimik. Mundwinkel können hängen. Sprachstörungen oder Schluckbeschwerden können die Folgen sein. Botox wirkt drei bis sechs Monate, sodass diese Phänomene nicht ewig bleiben. Natürlich kann man Menschen aber auch vergiften, wenn man Botox versehentlich intravenös spritzt.
Bei der Hyaluronsäure ist das anders geartet. Sie ist ein dickflüssiges Polysaccharid, das in unserem Körper auch vorkommt. Gelangt dies in ein Gefäß, dann kann es das wie eine Thrombose oder ein Embolus verstopfen. Und die anhängenden Gebilde, die von dem Gefäß versorgt werden, können absterben. Das betrifft zum Beispiel Nase oder Auge. So stirbt die Nasenrückenhaut ab oder ein Auge erblindet. Es ist darum von hoher Bedeutung, dass die Behandler genau wissen, wo Gefäße verlaufen. Wenn es tatsächlich zu einem Embolus – also einer Verstopfung – kommt, dann ist die sofortige Behandlung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten notwendig. Ohne einen Arzt ist das aber nicht möglich. Diese To-Go-Geschäfte wirken auf mich immer etwas halbseiden. Hier spielt schneller Umsatz die Hauptrolle und nicht das fundierte Arbeiten. Mir wurde auch schon das Angebot gemacht, in einem Fitness- oder einem Kosmetikstudio Botox zu applizieren und ich habe das abgelehnt.
Gibt es tatsächlich einen OP-Tourismus?
Allerdings gibt es den mit steigender Tendenz. Das ist eine Frage des Preiskampfs. Die Leute fliegen zum Beispiel in die Türkei, nach Brasilien oder fahren eventuell nach Polen. Das sind im Grunde Pauschalreisen mit Hotel und Behandlung. Ich möchte gar nicht behaupten, dass die dortigen Ärzte schlechter ausgebildet seien. Nur muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Operateure sehr weit weg sind. All meine Patienten, die ich operiere, haben eine Notfallnummer von mir. Ich stehe ihnen in jeder Lage zur Seite. So eine Operation ist schließlich ein ganzer Prozess. Da gehören Vorsorge und mehrere Nachsorge-Termine dazu. Im Falle von Komplikationen kann es im Ausland zu ernsthaften Problemen kommen. Treten in Deutschland anschließend Beeinträchtigungen auf, dann können die Kosten in der Relation deutlich höher sein.
Zur Person
Dr. Alexander Hilpert hat sein Medizinstudium in Düsseldorf absolviert. Im Rahmen seiner Facharzt-Ausbildung sammelte er Erfahrungen in Kapstadt, San Diego und an Kliniken in Köln sowie Bonn. 2002 bis 2007 praktizierte er als Oberarzt an der KOSMAS- Klinik Bad Neuenahr, die als eine der renommiertesten Kliniken auf dem Gebiet der Ästhetisch Plastischen Chirurgie gilt. Bereits 2005 ließ sich Dr. Hilpert in der Fachärztlichen Privatpraxis in Düsseldorf nieder und leitet zudem die Abteilung für Plastische Chirurgie der Kaiserberg Klinik in Duisburg. Seit 2021 ist er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische-Plastische Chirurgie DGÄPC.