Wer beim Gedanken an einen Arztbesuch ein ungutes Gefühl hat, Symptome verdrängt und Termine hinauszögert oder erst gar nicht wahrnimmt, leidet wahrscheinlich an einer Iatrophobie. Wir erklären, woher die Angst vor Ärztinnen und Ärzten rührt und wie sie sich überwinden lässt.
Qualitätssicherung:Philipp Grätzel von Grätz, Arzt und Medizinjournalist
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Definition und Verbreitung: Iatrophobie beschreibt die krankhafte Angst vor Ärzten. Sie reicht von leichter Nervosität bis hin zu schwerer Vermeidung.
Symptome: Betroffene klagen unter anderem über Gereiztheit, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Herzrasen oder Panikattacken und meiden Arztbesuche oft selbst bei ernsten Beschwerden.
Ursachen: Die Angst wird durch Kontrollverlust, negative Erfahrungen, Angst vor Diagnosen oder genetische Veranlagung ausgelöst. Das Vermeiden verstärkt Ängste und Beschwerden.
Behandlungsmöglichkeiten: Verhaltenstherapien, Vertrauenspersonen, spezialisierte Angebote wie Narkose oder Hypnose und offene Kommunikation mit Ärzten helfen, eine Iatrophobie zu bewältigen.
Schätzungsweise bis zu zwei Millionen Menschen in Deutschland haben Angst vor einem Arztbesuch. Befragungen zufolge sind es meist eher die Männer, die Arztpraxen meiden. Iatrophobie (ICD-10-Code: F40.2) heißt der Fachbegriff für die krankhafte Angst, zum Doktor zu gehen – sie kann von leichter Nervosität bis hin zur ausgeprägten Furcht reichen. „Während einige Betroffene ein gewisses Unwohlsein vor dem Arztbesuch verspüren, reagieren andere mit heftigen Schweißausbrüchen und Blutdrucksteigerung“, erklärt Angelika Erhardt, Oberärztin und Leiterin der Angstambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie. „Bei manchen ist die Angst auch so stark ausgeprägt, dass sie nie zum Arzt gehen – selbst bei ernsthaften Erkrankungen nicht.“
Diagnosesuche nach ICD-10-Code
Der ICD-Code ist ein weltweit anerkanntes System, mit dem medizinische Diagnosen einheitlich benannt und eindeutig zugeordnet werden. ICD steht für „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems”.
Neben leichter Nervosität oder Schweißausbrüchen klagen Betroffene einer Arztphobie häufig auch über folgende Symptome:
Gereiztheit
Unkonzentriertheit
Appetit- und Schlaflosigkeit
Rückzug aus sozialen Situationen
Bauchschmerzen
Übelkeit
Herzrasen bis hin zu Panikattacken
Ohnmacht (wenn beispielsweise Blut abgenommen wird)
Ursachen: Woher die Angst vor Ärzten kommt
Doch wieso lässt der Arztbesuch manche Menschen völlig kalt und führt wiederum bei anderen zur nackten Panik? „Häufig geht damit die Angst vor einem Kontrollverlust einher“, erklärt Expertin Angelika Erhardt. „Es bestehen starke Ängste vor möglichen Untersuchungen und Diagnosen sowie der eigenen angstbedingten Reaktion des Körpers.“ Aber auch negative Erfahrungen wie schmerzhafte oder unangenehme Behandlungen in der Vergangenheit oder aber die Angst vor schwerwiegenden Diagnosen können Ursachen für die Furcht vor Medizinern sein.
Doch nicht nur das: Grundsätzlich können genetische Faktoren die Neigung, eine Phobie zu entwickeln, beeinflussen. „Eine familiäre Veranlagung zu Angsterkrankungen kann im Zusammenhang mit anderen Faktoren die Iatrophobie begünstigen“, sagt Erhardt. Aber auch die Angst vor Stigmatisierung, etwa bei Erkrankungen, die eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung erfordern, oder die Angst, sich in einer medizinischen Einrichtung ansteckende Erkrankungen einzufangen, spielen bei manchen Menschen eine Rolle.
Die Angst vorm Arzt: ein Teufelskreis
Wer unter der umgangssprachlich auch „Weißkittelsyndrom“ genannten Furcht leidet, der weiß, dass die Arztphobie einen Teufelskreis mit sich bringt. Denn je länger der Arztbesuch hinausgezögert wird, desto größer wird die Angst – im schlimmsten Fall verschlechtern sich währenddessen die gesundheitlichen Beschwerden. Das hat zur Folge, dass die Behandlung oder der Eingriff umso aufwendiger wird, was wiederum die Angst verstärkt.
Angst vor dem Zahnarzt? Tipps für den Umgang mit der Angst finden Sie hier.
Behandlungsmöglichkeiten: Die Furcht vorm Arzt überwinden
Die gute Nachricht für alle Betroffenen ist: Arztphobien lassen sich in der Regel mit einer Verhaltenstherapie gut behandeln. Angelika Erhardt vom Max-Planck-Institut: „Hier geht es vor allem darum, die Patientinnen und Patienten mit ihrer Angst behutsam zu konfrontieren und nach und nach dafür zu sorgen, dass sie weniger wird oder im besten Fall ganz verschwindet.“
Neben einer therapeutischen Maßnahme gibt es aber auch noch weitere Ansätze, um die Angst in den Griff zu bekommen: Insbesondere Zahnärztinnen und Zahnärzte stellen sich heutzutage immer mehr auf Angstpatienten ein und bieten beispielsweise Behandlungen unter Narkose oder Hypnose oder etwa Ablenkung durch Musik oder einen Film an. Hypnose ist privat zu bezahlen. Die Kosten für eine Narkose werden für Angstpatienten nur dann bezahlt, wenn eine schwere Angstreaktion ärztlich anerkannt ist – also eine Bescheinigung von einer Psychologin oder Neurologin bzw. eines Psychologen oder Neurologen vorliegt. Die Kosten variieren jeweils nach Schwere des Eingriffs. Im Durchschnitt liegen sie zwischen 80 und 160 Euro. Einigen Betroffenen hilft es auch, eine Vertrauensperson mit ins Behandlungszimmer zu nehmen. Diese kann ermutigen, ablenken und sich gegebenenfalls auch Informationen zur Therapie merken, die in der Aufregung von der betroffenen Person nicht aufgenommen werden können. Auch mit dem behandelnden Arzt über die Angst zu sprechen, ist für viele Menschen hilfreich. Hier ist es ratsam, bereits bei der Terminvereinbarung darauf hinzuweisen, dass man unter Iatrophobie leidet. Im besten Fall ist so das gesamte Praxispersonal informiert und der Arztbesuch verläuft von Anfang an so angenehm wie möglich.
Zur Person:
Prof. Dr. Angelika Erhardt ist Oberärztin und Leiterin der Angstambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Erhardt erforscht die Neurobiologie von Angsterkrankungen und wie therapeutische Interventionen bei Angsterkrankungen wirken.
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