Symptome
- Zittern der Hände
- Herzrasen
- Schweißausbrüche
- Kreislaufprobleme bis hin zum Versagen
- Ohnmachtsanfälle
Der Piks beim Blutabnehmen oder Impfen ist für manche Menschen der blanke Horror. Allein der Gedanke an die Nadel oder der Anblick von Blut treibt ihnen den Angstschweiß auf die Stirn. Diese Angst vor Spritzen und Nadeln, auch Trypanophobie genannt, ist keine Seltenheit. Woher rührt diese Aversion und was hilft dagegen?
Niemand lässt sich gerne Blut abnehmen oder impfen. Doch während die meisten Menschen das unangenehme Gefühl in Kauf nehmen, weil es ab und zu einfach notwendig ist, um nicht krank zu werden oder den Gesundheitszustand zu checken, stellt die Nadel für andere ein großes Problem dar. Ihnen zittern die Hände, das Herz rast, sie bekommen Schweißausbrüche oder ihr Kreislauf versagt. Bei manchen löst die Angst sogar einen Ohnmachtsanfall aus. Schätzungen zufolge leiden etwa drei Prozent der Bevölkerung unter starker Angst vor Nadeln oder Spritzen. Der Fachbegriff hierfür heißt Trypanophobie (ICD-Code F40.2), kommt aus dem Griechischen und bedeutet in etwa „Angst vor dem Bohrer“. Problematisch wird es vor allem dann, wenn Betroffene aus Furcht Impfungen, medikamentöse Therapien oder diagnostische Maßnahmen wie eine Endoskopie oder Kernspintomographie meiden, die eigentlich medizinisch notwendig wären.
„Eine Blut-, Verletzungs- oder Spritzenphobie entwickelt sich meist bereits in der Kindheit“, sagt Angelika Erhardt, Oberärztin der Angstambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie. Demnach ist die Zahl der Betroffenen mit etwa 20 Prozent im Kindes- und jungen Erwachsenenalter besonders hoch. Mit der Zeit nimmt die Erkrankungsrate deutlich ab. Das erklärt die Prävalenz von drei Prozent über die gesamte Lebensspanne. „Viele Menschen finden über die Lebensjahre dann doch ihren Frieden mit den Spritzen“, erklärt Erhardt.
Wer unter einer Trypanophobie leidet, hat teilweise unangenehme Erfahrungen mit Blutentnahmen oder dem Anlegen von Zugängen gemacht – oder bringt eine familiäre Veranlagung für Angsterkrankungen mit. Auch die Angst vor Ärzten kann den Behandlungsbesuch zum Gruseltrip machen. Eine genetische Komponente kann die Trypanophobie begünstigen, ist aber nie alleiniger Grund dafür.
Menschen, die unter einer schweren Blut-, Verletzungs- und Spritzenphobie leiden, kann nach Ansicht von Fachleuten am besten mit einer Verhaltenstherapie geholfen werden. Unbehandelt kann die Spritzenangst Betroffene ein Leben lang beeinträchtigen. Die Angstambulanz des Max-Planck-Instituts in München bietet seit 2021 ein Programm an, das Menschen mit Trypanophobie das Leben erleichtern soll. „Wir klären die Betroffenen in Einzelsitzungen über die Krankheit und ihre Symptome auf, lassen sie zum Beispiel Fotos und Videos von Spritzen anschauen, echte Spritzen in die Hand nehmen und machen auch kleine Stechübungen mit ihnen“, erklärt Erhardt die Inhalte der Therapie. „Am Ende nehmen wir den Betroffenen tatsächlich Blut ab.“
Mit dieser Verhaltenstherapie, die eine direkte Konfrontation mit der Angst beinhaltet, haben die Medizinerin und ihr Team in den vergangenen Jahren große Erfolge erzielt, insbesondere bei der Einführung der Corona-Impfung. „Bei zwei Dritteln unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer geht die Angst deutlich zurück.“
Neben der klassischen Verhaltenstherapie setzen insbesondere Zahnärztinnen und Zahnärzte auf Hypnose, wenn sie Menschen mit Spritzenangst behandeln. Manchen Betroffenen hilft es auch, eine Vertrauensperson mit zum Arzt zu nehmen und bereits bei der Terminvereinbarung die Angst anzusprechen. So kann das gesamte Praxisteam auf die besondere Situation eingehen.
Natürlich ist es am besten, wenn die Spritzenangst überwunden werden kann. Gelingt dies nicht, können Benzodiazepine nach Rücksprache mit dem Arzt als letztes Mittel helfen, die Angst zu lindern.
Prof. Dr. Angelika Erhardt ist Oberärztin und Leiterin der Angstambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Erhardt erforscht die Neurobiologie von Angsterkrankungen und wie therapeutische Interventionen bei Angsterkrankungen wirken.