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Depression: Die unterschätzte Krankheit

Depressionen oder depressive Störungen gehören zu den am häufigsten auftretenden Krankheiten in Deutschland und werden hinsichtlich ihrer Schwere immer noch verharmlost. Im Gespräch mit Jan Baßler, Geschäftsführer der Robert-Enke-Stiftung, geht es um die Symptomatik der Krankheit, was Angehörige oder enge Freunde beachten können und welche Hilfestellungen für Betroffene sinnvoll sind.

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Welche gängigen Symptome sind bei einer Depression zu beobachten?

Es gibt verschiedene Symptome. Bei Menschen, die an einer Depression erkranken, sind es nicht immer die gleichen. Zu den drei Hauptsymptomen gehören Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit und Antriebslosigkeit. Es ist am besten mit einem Gesamtgefühl zu beschreiben, nämlich dass die betroffenen Personen es im Prinzip nicht mehr schaffen, morgens überhaupt aufzustehen. Kleinste Aktivitäten, wie das Zähneputzen oder Kaffee kochen, stellen schon große Herausforderungen im Alltag dar. Besonders auffällig ist ebenfalls die Tatsache, dass depressive Menschen häufig keinen Spaß mehr an den Dingen haben, die ihnen zuvor viel bedeutet haben.

Können Angehörige die Symptome erkennen? Gibt es hierbei gängige Muster?

In vielen Fällen kapseln sich Menschen mit einer Depression von ihrem sozialen Umfeld ab und treten nicht mehr gerne in den persönlichen Kontakt. Das macht sich natürlich bemerkbar. Für Angehörige oder Freunde ist es dann unter Umständen vielleicht schwierig, diesen aufrechtzuerhalten. Das hat man besonders aufgrund der Corona-Pandemie in den letzten Jahren verstärkt beobachten können. Den betroffenen Personen ist es angesichts der Ausgangsbeschränkungen nämlich leichtgefallen, sich unbemerkt zurückzuziehen. Eine weitere pandemiebedingte Auffälligkeit ist, dass sich das Thema psychische Erkrankungen im Kinder- und Jugendlichen-Bereich verstärkt bemerkbar macht.

Welche Unterstützung können Angehörige den Erkrankten geben?

Auch wenn sich depressive Menschen selbst isolieren, können Angehörige trotzdem verstärkt den Kontakt halten und immer wieder Hilfsangebote äußern und zuhören. Dabei ist es aber wichtig, die betroffene Person nicht therapieren zu wollen. Eine Depression ist zwar eine Krankheit, die einer Therapie bedarf; dies sollte jedoch unbedingt auf professioneller Ebene stattfinden. Sich über das Krankheitsbild der Depression zu informieren, ist immer eine sinnvolle Maßnahme. Oftmals bestehen nämlich Missverständnisse. So kann es dazu kommen, dass Angehörige diese Krankheit mit Charakterschwäche oder Faulheit verwechseln.

Menschen, die an einer Depression erkranken, fehlt aufgrund der Antriebslosigkeit häufig eine feste Alltagsstruktur. Als Angehöriger kann man an dieser Stelle helfen, einen festen Tagesplan zu entwickeln. Helfen Sie dabei dem Betroffenen! Denn darüber zeigen Sie dem Erkrankten, dass Sie für die Person da sind und die Krankheit als solche anerkennen. Feste Abläufe und eine Routine fördern zudem Sicherheit. Das führt zu selbstständigem Handeln und damit verbunden, erhöht sich wieder das Selbstwertgefühl. Diese Hilfestellung ist begleitend zu einer Therapie sehr sinnvoll. Dabei muss jedoch etwas beachtet werden: Es hilft der depressiven Person nicht, wenn der Nicht-Depressive ebenfalls erkrankt. Also muss sich auch der Angehörige seine Freiräume und Momente des Glücks gönnen dürfen. Depressive Phasen können lange andauern und mitunter für die begleitende Person äußerst belastend sein. Deshalb muss man in solch einer Situation auch auf sich selbst achten, um nicht körperlich oder seelisch zu erkranken. Grundsätzlich ist wichtig, sich bei einer Depression so schnell wie möglich in eine Therapie zu begeben. Denn: Je schneller man reagiert, desto größer sind die Chancen auf Heilung und im Fall einer späteren erneuten Erkrankung ist man besser vorbereitet.

Kann man als Angehöriger beurteilen, ob jemand depressiv oder auch suizidgefährdet ist? Wo befindet sich die Trennlinie?

Es gibt den WHO-5-Screeningtest zum Wohlbefinden, den man auch als Angehöriger bearbeiten kann. Anhand von fünf zu beantwortenden Fragen kann erfasst werden, ob eine depressive Verstimmung oder eine Depression möglicherweise vorliegt. Wenn man diesen Test zusammen mit der betroffenen Person über einen längeren Zeitraum von mehreren Wochen macht und immer wieder bei den Fragen im niedrigen Punktzahlbereich liegt, sollte ärztliche Hilfe beansprucht werden. Hinsichtlich der Suizidgedanken kann man die betroffene Person als Angehöriger natürlich danach fragen, wenn man ein ungutes Gefühl hat. Wird die Frage mit „ja“ beantwortet, ist es ratsam, die Person in die Notfallambulanz zu bringen. Dort sind die Mitarbeiter verpflichtet, die Person in solch einem Fall aufzunehmen. 

Wie gehen Angehörige mit dem Suizid einer nahestehenden Person am besten um?

Es besteht die Möglichkeit, dass es Angehörige oder Freunde gibt, die gar nichts von der Depression oder einer Suizid-Gefährdung der betroffenen Person gewusst haben. Tritt in Folge der Erkrankung der Suizid ein, ist dies erstmal schwierig einzuordnen und der Schock sitzt verständlicherweise sehr tief. Ob man nun im Bilde war oder nicht, es ist immer ratsam, sich selber in professionelle psychologische Hilfe zu begeben. Letztendlich geht jeder Mensch mit dem Tod einer eng verbundenen Person anders um. Deshalb gibt es keine maßgeschneiderte Handlungsempfehlung. Mit der eigenen Familie, Freunden oder einer außenstehenden Person darüber zu reden, kann aber hilfreich sein.

Was muss sich hinsichtlich der Behandlung von Depressionen verändern?

Es ist wichtig, präventive Maßnahmen zu verbessern und weiterzuentwickeln. Die Hauptsache ist, dass es den Menschen gut geht und sie gar nicht erst an einer Depression erkranken. Hier ist noch einiges zu tun. Vor allem gilt es, den Zugang zur Therapie zu erleichtern und die Wartezeiten zu verkürzen. Das verbessert die Heilungschancen und verkürzt die Ausfallzeiten bei der Arbeit. Das ist sowohl im gesundheitlichen als auch im wirtschaftlichen Sinne von Vorteil. Es kann nämlich vorkommen, dass man als betroffene Person Monate lang auf einen Therapieplatz warten muss. Hier steht das Gesundheitssystem in der Pflicht, die notwendigen Schritte zur Verbesserung der Lage umzusetzen.

Das Foto zeigt Jan Bassler.

Zur Person

Jan Baßler ist leitender Geschäftsführer der Robert-Enke-Stiftung. Die Stiftung unterstützt Projekte, die über Depressionskrankheiten sowie über Herzkrankheiten von Kindern aufklären, erforschen und behandeln.

Robert Enke sitzt mit aufgestellten Beinen und nach hinten aufgestützten Armen auf einem Fußballfeld.

Robert Enke

Er war deutscher Fußball-Nationaltorwart, der nach einigen Stationen im Ausland von 2004 bis 2009 bei Hannover 96 in der Bundesliga spielte. Er litt viele Jahre an einer Depression. Es gab immer wieder längere Zeiträume, in denen es Robert Enke gut ging. Depressionen können in Phasen vorkommen und, wie bei anderen Krankheiten auch, nach einer Heilung erneut auftreten. Robert Enke nahm sich nach langjähriger Erkrankung 2009 das Leben. Die Robert-Enke-Stiftung wurde im Folgejahr seines Todes gegründet.

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