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Wenn die Kleinen nach Schokolade quengeln

Alle Eltern kennen es: Das Kind lässt sich im Supermarkt nicht mehr bändigen, denn die Süßigkeiten sind zu verlockend. Was tun?

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Gesunde Ernährung im Kindesalter ist für die Entwicklung und ein gesundes Verhältnis zum Essen im Erwachsenenalter essenziell – das ist den meisten Eltern bewusst. Natürlich möchten die Kleinen ab und zu auch etwas Süßes. Daran ist grundsätzlich nichts falsch, und alle Süßigkeiten zur ewig verbotenen Frucht zu erklären ist eher kontraproduktiv.

Väter und Mütter wollen aber, dass ihre Kinder nicht mit ungesunden Verhaltensweisen aufwachsen. Schließlich sind Übergewicht und Adipositas bei Kindern in Deutschland heute kein seltenes Phänomen: Jedes sechste Kind ist betroffen, bei den 11- bis 13-Jährigen ist es schon jedes fünfte. Verschiedene Faktoren, wie ein immer größeres Lebensmittelangebot, Werbung, eingeschränkte Bewegung, Fernsehen und Computerspiele, können das Ernährungsverhalten deutlich beeinflussen.

Dem Nachwuchs die Bedeutung von gesunder Ernährung zu erklären und auch mal Nein zu sagen, ist in der Praxis natürlich leichter gesagt als getan. Einige Dinge können Eltern aber beachten, wenn das Kind im Supermarkt wieder mal außer Rand und Band gerät, weil die Quengelware nicht in den Einkaufskorb darf.

Vorbereitet sein auf die Situation

Mariella Zippert kennt die Situation – als Psychologin wie als Mutter. Sie sieht einige grundlegende Lösungsansätze für das leidige Problem, wenn die Kleinen unbedingt etwas Süßes möchten: „Der erste Weg ist es, dem Drama vorzubeugen. Es ist sinnvoll, mit den Kindern schon im Vorhinein Absprache zu halten: Was wird heute gekauft? Was machen wir heute, und was nicht? Rituale sind gut. So hilft zum Beispiel die Abmachung, dass nur an einem bestimmten, fixen Wochentag eine Süßigkeit gekauft wird, und das innerhalb einer bestimmten Preisspanne – sofern das Kind dafür schon eine Vorstellung und ein Verständnis hat.“

Konsequent bleiben

Klar, so eine vorausschauende Planung funktioniert nicht immer, Kinder haben – genauso wie Erwachsene – auch ihre Launen und können nicht immer Ruhe und Vernunft bewahren. Expertin Zippert unterstreicht, worauf es dann ankommt: „Es kann einfach spontan passieren, dass die Tochter oder der Sohn einen Trotzanfall bekommt und auch mit Geschrei und Tränen seine Lust auf Schokolade durchzusetzen versucht. Dann ist wichtig: trotzdem Grenzen setzen und konsequent bleiben. Auch wenn die Kinder laut schreien oder uns mit traurigen Augen anbetteln, müssen wir konsequent bleiben und nein sagen können. Vielen fällt das Neinsagen schwer – aus Angst, zu verletzen. Ein liebevolles, klares Nein ist eine klare Grenze, verletzt jedoch nicht, sondern stärkt und gibt Halt und Orientierung.“

Wenn das Kind also überreizt ist und nicht mehr aufhört, zu weinen, ist Nachgeben und den Schokoriegel in den Einkaufswagen legen nicht die Lösung, genauso wenig wie Schimpfen und Aggression. Besser ist es, das Kind in die Arme zu schließen und zu trösten. Wenn das Weinen und Schreien wirklich nicht mehr aufhört, ist es manchmal besser, den Einkaufswagen stehen zu lassen und kurz rauszugehen, damit sich das Kind im Freien wieder beruhigen kann.

Die Blicke der anderen ignorieren

Meistens ist die Lage nach wenigen Minuten, manchmal erst nach einer halben Stunde beruhigt. Aber genauso wie man sein Kind nach einer Meinungsverschiedenheit weiter liebt wie zuvor, liebt das Kind seine Eltern auch nach einem Nein. Deshalb sind die Grenzen und Regeln oft schon nach ein bis drei „Vorfällen“ etabliert. Bis dahin ist es natürlich nicht immer leicht. Dann heißt es: die Ohren anlegen und sich in den harten Wind stellen – denn nach dem Regen kommt Sonne. So ziemlich alle Eltern waren schon einmal in der unangenehmen Situation, dass das Kind sich weinend auf den Boden wirft und die anderen Menschen im Supermarkt die Lage mit kritischem Auge beobachten oder gar ungebetene Ratschläge erteilen. „Wir fühlen uns dann möglicherweise von den Blicken der anderen unter Druck gesetzt. Dann sollten wir nicht vergessen, dass viele das Problem selbst kennen“, so Zippert.

Die Psychologin rät hier: „Anstatt auf andere Menschen zu achten, ist es wichtiger, sich auf das Kind zu konzentrieren und ihm zu zeigen: ‚Ich verstehe dich. Ich verstehe, dass du Lust auf etwas Süßes hast und dass du gerade traurig bist. Mein Liebling, wir bleiben aber dabei.‘ Man sollte dem Kind liebevoll und verständnisvoll Grenzen setzen – ganz ohne Gewalt und Verletzung.“ Wichtig sei es, für sich hier ein inneres Konzept vorzubereiten. Damit meint Zippert: „Wenn die Situation des Trotzanfalls kommt, reagiere ich mit Humor und Liebe und bleibe ruhig bei der Regel. Sonst wiederholen sich diese Stresssituationen immer wieder.“

Spielerisch den Konflikt vermeiden

Eine gute Möglichkeit, kleine Eskalationen unterwegs zu vermeiden, ist es, die Kinder beim Einkauf einzubinden – etwa einen Wochen-Essensplan auszudenken und das Gemüse dafür gemeinsam auszusuchen und den Sohn oder die Tochter die Produkte in den Einkaufswagen legen zu lassen. Auch kleine Spiele können helfen: Mariella Zippert nennt ein Beispiel: „Schon vor der Kasse kann man mit den Kindern einen kleinen Wettbewerb starten: ‚Wer legt die Sachen am schnellsten aufs Laufband? Schaffen wir einen Rekord? Wenn wir schnell im Supermarkt fertig sind und nicht trödeln, haben wir am Abend mehr Zeit zu spielen!‘ Das ist mit all dem Alltagsstress natürlich nicht leicht, aber wir dürfen nicht vergessen: Zuwendung in Form von Zeit ist die größte Belohnung, die Väter und Mütter schenken können.“

Nein aus Liebe

In Situationen, in denen das Kind stur wird und quengelt – egal ob zuhause, auf der Straße oder im Laden – sieht Zippert immer auch wertvolle Gelegenheiten: „Kinder lernen, ihre Frustrationstoleranz zu trainieren. Dadurch werden sie zu sozialen Wesen. Erwachsene, die nie geübt haben, Kompromisse einzugehen, Grenzen zu respektieren oder Geduld zu üben, haben oft Schwierigkeiten, sich in Gruppen zurechtzufinden. Wenn wir also gut und einfühlsam kommunizieren, frustriert das ‚Nein aus Liebe‘ die Kinder zwar manchmal, aber es verletzt sie nicht.“

Respekt, Liebe und Klarheit sind also der beste Weg, mit den Kindern in hitzigen Situationen umzugehen. So verstehen die Kleinen die Grenzen, die zu ihrem eigenen Wohl gesetzt werden. Und damit ist nicht nur dem Nachwuchs geholfen, sondern der gesamten Familie.

Zur Person

Mariella Zippert ist Diplom Psychologin und arbeitet u.a. als systemische Coach und Beraterin zu Veränderungsprozessen in Hamburg. Ihre Schwerpunkte sind unter anderem Wirtschaftspsychologie, Gesundheitsmanagement, Stressbewältigung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Prävention & Kinderschutz, Pädagogische Psychologie und gewaltfreie Kommunikation.

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